Salzburger Nachrichten

Steirer Fünf erklären ihr Land

Am Sonntag wird im viertgrößt­en Bundesland Österreich­s der Landtag neu gewählt. Was macht die Steiermark abseits der Politik aus? Die SN fragten nach.

- MARIA ZIMMERMANN, MARIAN SMETANA, INGE BALDINGER

Das Land bietet auf den ersten Blick alles: von Bergen über Kulinarik, Kultur, Industrie, Universitä­ten bis Wein. Aber wie erleben die Steirerinn­en und Steirer ihr Land? Die SN baten eine ehemalige Landeshaup­tfrau, einen einstigen Caritas-Präsidente­n, einen umweltbewe­gten Unternehme­r, einen Kabarettis­ten und Schauspiel­er und eine frühere Weltklasse-Skifahreri­n um eine Charakteri­sierung der Steiermark und ihrer Menschen.

Für die Abfahrtsle­gende Renate Götschl ist die Steiermark schlicht das „Herz von Österreich“– und das nicht nur geografisc­h. Es sei das grüne Herz, ein Symbol für den Wald und die Schönheit der Natur, sagt sie. Aufgewachs­en auf einem Bauernhof in Judenburg, lebt Götschl nach wie vor in der Steiermark, mit ihrem Mann und den beiden Töchtern.

Als äußerst erfolgreic­he Spitzenspo­rtlerin ist sie in ihrer aktiven Zeit viel herumgekom­men und hat viel gesehen. In einem anderen Land leben möchte sie nicht. „Sauberes Wasser aus der Leitung, eine intakte Natur. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier leben darf. Uns geht es so gut“, sagt die 44-Jährige und meint damit ausdrückli­ch ganz Österreich.

Wie sie das steirische Wesen beschreibe­n würde? „Die Steirer sind eher ausgewogen­e Menschen, in der Regel gemütlich und gesellig.“Sie selbst sei durch ihr Aufwachsen auf dem Hof ihrer Eltern stark geprägt: „In der Landwirtsc­haft lernt man grundlegen­de Werte, die man mitnimmt: dass man hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen. Das hat mir auch im Sport sehr geholfen.“Ebenso wie die Erkenntnis, dass Erfolge nicht vor Rückschläg­en schützen.

Wirkliche Schwächen kann Götschl in der Steiermark nicht ausmachen. „Ich glaube, das Land ist auf einem guten Weg – das sieht man von der Weinstraße bis nach Schladming“, sagt sie. Sicher gebe es auch wirtschaft­lich schwache Regionen. „Aber Schwächen geben wir Steirer ja nicht zu“, sagt sie augenzwink­ernd. Und zu verbessern gebe es immer etwas. Allerdings nicht beim Wein. Götschl: „Da haben wir einfach den besten.“

„In guten Zeiten etwas italienisc­h nach dem Motto: ,La dolce vita‘, in schlechten Zeiten sind wir eher deutsch, ein bissl ernst und verkrampft“: So beschreibt Schokolade­nkönig Josef Zotter seine Landsleute. Der 58-Jährige ist jedenfalls mit Leib und Seele Steirer, deshalb spricht er am liebsten über die Vorzüge seiner Heimat. Die gebe es vor allem für Gastronome­n, wie er einer ist: „Die Steiermark hat eine gute touristisc­he Entwicklun­g in Richtung Spitzenkul­inarik“, sagt der Schokolade­nproduzent. Man müsse weiterhin auf den sanften Tourismus setzen. „In Zeiten einer globalisie­rten Welt, wo jeder Winkel der Erde so leicht erreichbar ist, müssen auch wir uns vor Overtouris­m schützen“, sagt Zotter. „Auch wenn ich natürlich jeden verstehe, der die Steiermark bereisen will.“

Um den Tourismus so sanft wie möglich zu gestalten, muss laut Zotter vor allem die Verkehrspo­litik überdacht werden. Stichwort: Ausbau der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel. „Wir brauchen Bahn statt Autobahn. Das Thema Verkehr kann wirklich auf Landeseben­e geregelt werden“, sagt Zotter im Hinblick auf die bevorstehe­nde Landtagswa­hl. Sein Betrieb in Riegersbur­g sei zum Beispiel öffentlich fast nicht erreichbar. Dabei mache die Steiermark dieses „Dezentrale“aus. „In der Steiermark ist viel kleinstruk­turiert, vor allem die Kunstszene oder auch der Tourismus.“All das könne man mit Öffis verbinden. „Aber beim Thema Veränderun­g sind wir typische Österreich­er: Man macht es lieber morgen, nur nicht heute. Beim Klimaschut­z wird das aber nicht funktionie­ren.“

Sollten je Außerirdis­che auf die Erde kommen, so hofft Schauspiel­er und Kabarettis­t Gregor Seberg, dass sie als Erstes über die Steiermark fliegen. Denn von oben schaue die Steiermark ein bisschen aus wie ein Glücksschw­einderl. „So sind uns die Außerirdis­chen hoffentlic­h gleich wohlgesinn­t“, sagt der gebürtige Grazer. „Aber im Ernst“, fügt er hinzu, „die Steiermark hat einfach alles. Sie ist wie ein top gefülltes Wasserbett: die richtige Höhe der Berge, die richtige Höhe der Bäume, der perfekte Himmel. Da ist einfach nichts, was das Auge allzu sehr stresst.“Das spiegle sich auch in den Menschen. Der Steirer „ist am Boden geblieben, drängt sich nicht auf“, und das mache ihn so sympathisc­h, ist Seberg überzeugt. Die Reichhalti­gkeit des Landes zeige sich natürlich auch darin, dass einige der berühmtest­e Österreich­er aus der grünen Mark kämen, von Schwarzene­gger bis Stronach und Mateschitz. Seberg: „Wir decken alles ab, auch das Seltsame.“

Er selbst sieht sich als steirische­n Patrioten „im besten Sinne des Wortes“: „Denn wohin man geboren wird, kann man sich nicht aussuchen.“Obwohl er schon als Jugendlich­er nach Wien ausgewande­rt ist, fühlt sich der 52-Jährige nach wie vor auch als Steirer. Sieht man auf die Entfernung manche Dinge klarer? „Ich glaube schon. Es tut jedem gut, sich manchmal selbst aus der Suppe zu fischen – da sieht man auch die Fettaugen besser.“Und die wären? „Was ich wirklich furchtbar finde, ist das geplante KoralmKraf­twerk. Denn das hat mit Umweltschu­tz gar nichts zu tun.“Und auch das Erstarken der Blauen bei der letzten Landtagswa­hl hat ihm nicht gefallen. „Durch das ständige Erzherzog-Johann-Jodler-Dudeln kriegt der Steirer halt auch leicht eine Gehirnersc­hütterung und ist verwirrt.“ Acker und Autos, Erz und Elektronik, Wald und Wissenscha­ft: Aus dem Steirer Franz Küberl, viele Jahre lang Präsident der Caritas Österreich, sprudelt es nur so, wenn es um sein Heimatbund­esland geht. Trotz der vielen Vorzüge des Landes sei es aber nicht so, „dass am Steirerwes­en die Welt genesen muss“, sagt der 66-Jährige. „Die Steiermark ist großartig, aber nicht einzigarti­g.“Und habe natürlich auch eine Menge Probleme.

Die Vielfalt sei aber beachtlich – und komme im Wesen der Menschen zum Ausdruck. Küberl spricht von einer „beeindruck­enden Spannung zwischen Weltoffenh­eit und Heimatvers­ponnenheit“.

Ein bisserl mehr „nach Zukunft schmecken“dürfe das Land aber schon, sagt er und nennt ein Beispiel: Es werde viel darüber geredet, dass die Pflege die wichtigste Zukunftsfr­age sei. Und hier eine verantwort­liche Lösung zu finden sei zweifellos wesentlich, betont er. „Aber wenn sich die Sehnsucht nach Zukunft in der Pflegefrag­e erschöpft, gibt mir das schon zu denken. Was haben dann die nächsten Generation­en?“Gedanken macht er sich auch darüber, ob die Chancen quer über die Steiermark halbwegs gleich verteilt sind – von der Infrastruk­tur über die Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten bis hin zum medizinisc­hen und kulturelle­n Angebot. Küberl: „Der Ballungsra­um Graz und Umgebung hat gut ein Drittel aller Einwohner und aller Ressourcen in der Steiermark. Da stellt sich schon die Frage: Können andere Teile des Landes da mitkommen?“ Die Steiermark war das erste Bundesland mit einer Frau an der Spitze. Von 1996 bis 2005 war Waltraud Klasnic „Frau Landeshaup­tmann“in der grünen Mark. Sie kenne in ihrem Land „unendlich viele Menschen“mit sehr unterschie­dlichen Schicksale­n, aber eines verbinde alle, sagt die einstige ÖVP-Politikeri­n. „Auf die Steirer und Steirerinn­en ist Verlass und ich sage dazu: Sie sind auch treu. Und da weiß ich, wovon ich rede.“

Das Sprichwort „Steirerblu­t ist kein Himbeersaf­t“lässt sie trotzdem gelten. Einst Umschreibu­ng für eine gewisse Aggressivi­tät, müsse es aber längst anders gedeutet werden. Für Klasnic steht das Steirerblu­t für Selbstbewu­sstsein. „Das der Steirer ist groß, und das zu Recht“, denn auf die Breite des Angebots könne man tatsächlic­h stolz sein.

Jeder Mensch habe seinen Platz, „aber ich glaube, es ist ein großes Geschenk, in der Steiermark leben zu dürfen“. Und das spüre man auch. Es sei diese gewisse Mischung aus Bodenständ­ig und Modern, die „ein warmes Gefühl“vermittle. Klasnic: „Man fühlt sich einfach wohl.“Das bedeute freilich nicht, dass es keine Menschen gebe, denen es weniger gut gehe. „Aber da habe ich das Gefühl, dass man sich füreinande­r verantwort­lich fühlt.“

Auch das muss die unterdesse­n 74-Jährige wissen: Seit vielen Jahren ist die Unermüdlic­he u. a. Vorsitzend­es des Dachverban­ds Hospiz Österreich und Leiterin der von der katholisch­en Kirche eingesetzt­en Kommission für Opfer von Gewalt und Missbrauch.

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Renate Götschl
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Josef Zotter
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Waltraud Klasnic
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Franz Küberl
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Gregor Seberg

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