Steirer Fünf erklären ihr Land
Am Sonntag wird im viertgrößten Bundesland Österreichs der Landtag neu gewählt. Was macht die Steiermark abseits der Politik aus? Die SN fragten nach.
Das Land bietet auf den ersten Blick alles: von Bergen über Kulinarik, Kultur, Industrie, Universitäten bis Wein. Aber wie erleben die Steirerinnen und Steirer ihr Land? Die SN baten eine ehemalige Landeshauptfrau, einen einstigen Caritas-Präsidenten, einen umweltbewegten Unternehmer, einen Kabarettisten und Schauspieler und eine frühere Weltklasse-Skifahrerin um eine Charakterisierung der Steiermark und ihrer Menschen.
Für die Abfahrtslegende Renate Götschl ist die Steiermark schlicht das „Herz von Österreich“– und das nicht nur geografisch. Es sei das grüne Herz, ein Symbol für den Wald und die Schönheit der Natur, sagt sie. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Judenburg, lebt Götschl nach wie vor in der Steiermark, mit ihrem Mann und den beiden Töchtern.
Als äußerst erfolgreiche Spitzensportlerin ist sie in ihrer aktiven Zeit viel herumgekommen und hat viel gesehen. In einem anderen Land leben möchte sie nicht. „Sauberes Wasser aus der Leitung, eine intakte Natur. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier leben darf. Uns geht es so gut“, sagt die 44-Jährige und meint damit ausdrücklich ganz Österreich.
Wie sie das steirische Wesen beschreiben würde? „Die Steirer sind eher ausgewogene Menschen, in der Regel gemütlich und gesellig.“Sie selbst sei durch ihr Aufwachsen auf dem Hof ihrer Eltern stark geprägt: „In der Landwirtschaft lernt man grundlegende Werte, die man mitnimmt: dass man hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen. Das hat mir auch im Sport sehr geholfen.“Ebenso wie die Erkenntnis, dass Erfolge nicht vor Rückschlägen schützen.
Wirkliche Schwächen kann Götschl in der Steiermark nicht ausmachen. „Ich glaube, das Land ist auf einem guten Weg – das sieht man von der Weinstraße bis nach Schladming“, sagt sie. Sicher gebe es auch wirtschaftlich schwache Regionen. „Aber Schwächen geben wir Steirer ja nicht zu“, sagt sie augenzwinkernd. Und zu verbessern gebe es immer etwas. Allerdings nicht beim Wein. Götschl: „Da haben wir einfach den besten.“
„In guten Zeiten etwas italienisch nach dem Motto: ,La dolce vita‘, in schlechten Zeiten sind wir eher deutsch, ein bissl ernst und verkrampft“: So beschreibt Schokoladenkönig Josef Zotter seine Landsleute. Der 58-Jährige ist jedenfalls mit Leib und Seele Steirer, deshalb spricht er am liebsten über die Vorzüge seiner Heimat. Die gebe es vor allem für Gastronomen, wie er einer ist: „Die Steiermark hat eine gute touristische Entwicklung in Richtung Spitzenkulinarik“, sagt der Schokoladenproduzent. Man müsse weiterhin auf den sanften Tourismus setzen. „In Zeiten einer globalisierten Welt, wo jeder Winkel der Erde so leicht erreichbar ist, müssen auch wir uns vor Overtourism schützen“, sagt Zotter. „Auch wenn ich natürlich jeden verstehe, der die Steiermark bereisen will.“
Um den Tourismus so sanft wie möglich zu gestalten, muss laut Zotter vor allem die Verkehrspolitik überdacht werden. Stichwort: Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. „Wir brauchen Bahn statt Autobahn. Das Thema Verkehr kann wirklich auf Landesebene geregelt werden“, sagt Zotter im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl. Sein Betrieb in Riegersburg sei zum Beispiel öffentlich fast nicht erreichbar. Dabei mache die Steiermark dieses „Dezentrale“aus. „In der Steiermark ist viel kleinstrukturiert, vor allem die Kunstszene oder auch der Tourismus.“All das könne man mit Öffis verbinden. „Aber beim Thema Veränderung sind wir typische Österreicher: Man macht es lieber morgen, nur nicht heute. Beim Klimaschutz wird das aber nicht funktionieren.“
Sollten je Außerirdische auf die Erde kommen, so hofft Schauspieler und Kabarettist Gregor Seberg, dass sie als Erstes über die Steiermark fliegen. Denn von oben schaue die Steiermark ein bisschen aus wie ein Glücksschweinderl. „So sind uns die Außerirdischen hoffentlich gleich wohlgesinnt“, sagt der gebürtige Grazer. „Aber im Ernst“, fügt er hinzu, „die Steiermark hat einfach alles. Sie ist wie ein top gefülltes Wasserbett: die richtige Höhe der Berge, die richtige Höhe der Bäume, der perfekte Himmel. Da ist einfach nichts, was das Auge allzu sehr stresst.“Das spiegle sich auch in den Menschen. Der Steirer „ist am Boden geblieben, drängt sich nicht auf“, und das mache ihn so sympathisch, ist Seberg überzeugt. Die Reichhaltigkeit des Landes zeige sich natürlich auch darin, dass einige der berühmteste Österreicher aus der grünen Mark kämen, von Schwarzenegger bis Stronach und Mateschitz. Seberg: „Wir decken alles ab, auch das Seltsame.“
Er selbst sieht sich als steirischen Patrioten „im besten Sinne des Wortes“: „Denn wohin man geboren wird, kann man sich nicht aussuchen.“Obwohl er schon als Jugendlicher nach Wien ausgewandert ist, fühlt sich der 52-Jährige nach wie vor auch als Steirer. Sieht man auf die Entfernung manche Dinge klarer? „Ich glaube schon. Es tut jedem gut, sich manchmal selbst aus der Suppe zu fischen – da sieht man auch die Fettaugen besser.“Und die wären? „Was ich wirklich furchtbar finde, ist das geplante KoralmKraftwerk. Denn das hat mit Umweltschutz gar nichts zu tun.“Und auch das Erstarken der Blauen bei der letzten Landtagswahl hat ihm nicht gefallen. „Durch das ständige Erzherzog-Johann-Jodler-Dudeln kriegt der Steirer halt auch leicht eine Gehirnerschütterung und ist verwirrt.“ Acker und Autos, Erz und Elektronik, Wald und Wissenschaft: Aus dem Steirer Franz Küberl, viele Jahre lang Präsident der Caritas Österreich, sprudelt es nur so, wenn es um sein Heimatbundesland geht. Trotz der vielen Vorzüge des Landes sei es aber nicht so, „dass am Steirerwesen die Welt genesen muss“, sagt der 66-Jährige. „Die Steiermark ist großartig, aber nicht einzigartig.“Und habe natürlich auch eine Menge Probleme.
Die Vielfalt sei aber beachtlich – und komme im Wesen der Menschen zum Ausdruck. Küberl spricht von einer „beeindruckenden Spannung zwischen Weltoffenheit und Heimatversponnenheit“.
Ein bisserl mehr „nach Zukunft schmecken“dürfe das Land aber schon, sagt er und nennt ein Beispiel: Es werde viel darüber geredet, dass die Pflege die wichtigste Zukunftsfrage sei. Und hier eine verantwortliche Lösung zu finden sei zweifellos wesentlich, betont er. „Aber wenn sich die Sehnsucht nach Zukunft in der Pflegefrage erschöpft, gibt mir das schon zu denken. Was haben dann die nächsten Generationen?“Gedanken macht er sich auch darüber, ob die Chancen quer über die Steiermark halbwegs gleich verteilt sind – von der Infrastruktur über die Beschäftigungsmöglichkeiten bis hin zum medizinischen und kulturellen Angebot. Küberl: „Der Ballungsraum Graz und Umgebung hat gut ein Drittel aller Einwohner und aller Ressourcen in der Steiermark. Da stellt sich schon die Frage: Können andere Teile des Landes da mitkommen?“ Die Steiermark war das erste Bundesland mit einer Frau an der Spitze. Von 1996 bis 2005 war Waltraud Klasnic „Frau Landeshauptmann“in der grünen Mark. Sie kenne in ihrem Land „unendlich viele Menschen“mit sehr unterschiedlichen Schicksalen, aber eines verbinde alle, sagt die einstige ÖVP-Politikerin. „Auf die Steirer und Steirerinnen ist Verlass und ich sage dazu: Sie sind auch treu. Und da weiß ich, wovon ich rede.“
Das Sprichwort „Steirerblut ist kein Himbeersaft“lässt sie trotzdem gelten. Einst Umschreibung für eine gewisse Aggressivität, müsse es aber längst anders gedeutet werden. Für Klasnic steht das Steirerblut für Selbstbewusstsein. „Das der Steirer ist groß, und das zu Recht“, denn auf die Breite des Angebots könne man tatsächlich stolz sein.
Jeder Mensch habe seinen Platz, „aber ich glaube, es ist ein großes Geschenk, in der Steiermark leben zu dürfen“. Und das spüre man auch. Es sei diese gewisse Mischung aus Bodenständig und Modern, die „ein warmes Gefühl“vermittle. Klasnic: „Man fühlt sich einfach wohl.“Das bedeute freilich nicht, dass es keine Menschen gebe, denen es weniger gut gehe. „Aber da habe ich das Gefühl, dass man sich füreinander verantwortlich fühlt.“
Auch das muss die unterdessen 74-Jährige wissen: Seit vielen Jahren ist die Unermüdliche u. a. Vorsitzendes des Dachverbands Hospiz Österreich und Leiterin der von der katholischen Kirche eingesetzten Kommission für Opfer von Gewalt und Missbrauch.