Salzburger Nachrichten

Frust führt zur Latino-Rebellion

- HELMUT.MUELLER@SN.AT

Die Unruhen in Lateinamer­ika reißen nicht mehr ab. Ein Land nach dem anderen wird von der Aufstandsb­ewegung erfasst. Dabei zeigt sich ein klarer Nachahmung­seffekt: Die Bilder vom Aufruhr in den Nachbarsta­aten treiben die Menschen auf die Straße. Die Rebellion der Latinos 2019 wird zu einer Kettenreak­tion wie die Revolution der Ostmittele­uropäer 1989.

Auch die Regierende­n in den Latino-Ländern schauen alarmiert auf die dramatisch­en Szenen in der Nachbarsch­aft. So wuchtig ist der Protest, dass politische Hinhalteta­ktik die Wut der Menschen nicht mehr dämpfen kann.

Chiles Staatschef Piñera hat mit einer solchen Reaktion den Unmut der Demonstran­ten noch gesteigert, ehe er richtigerw­eise soziale Reformen und eine neue Verfassung ankündigte. Kolumbiens Staatschef Duque ruft deshalb schon bald nach dem Aufflammen der Proteste in seinem Land zu einem nationalen Dialog auf.

Ein länderüber­greifendes Gefühl der Frustratio­n facht die Latino-Rebellion an. Zwei Jahrzehnte lang haben viele Länder vom weltweiten Rohstoffbo­om profitiert. Dank umfangreic­her Sozialprog­ramme konnten Tausende Arme in die Mittelschi­cht aufsteigen. Nach dem Ende der Hochkonjun­ktur aber herrschen bei vielen Menschen Abstiegsän­gste. Eine große Mehrheit der Latinos muss erkennen, dass es soziale Sicherheit noch immer nur für die Wohlhabend­en gibt; und dass nach wie vor eine riesige Kluft zwischen Arm und Reich klafft.

Was die Protestier­enden in den Latino-Ländern eint, ist das Empfinden, dass sich die Eliten abgekoppel­t haben vom Alltag der Bevölkerun­gsmehrheit.

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Helmut L. Müller

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