Salzburger Nachrichten

Eine einzige Hoffnungsf­igur ist nicht genug

Als integer und proeuropäi­sch gilt Rumäniens wiedergewä­hlter Staatschef Klaus Johannis. Aber für viele agiert er zu wenig kämpferisc­h.

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BUKAREST. Es gab eine Zeit, da wurde Klaus Johannis in Rumänien als letzter Hoffnungst­räger der Demokratie gehandelt. Vor allem linksliber­ale und gemäßigt-konservati­ve Proeuropäe­r sahen in dem Siebenbürg­er Sachsen mit seinen deutschen Wurzeln den einzigen Politiker, der die Demokratie­verächter in den Reihen der postkommun­istischen PSD-Regierung stoppen konnte. Auch in Brüssel sahen das viele so, nachdem Johannis 2014 mit dem Verspreche­n zum Staatspräs­identen gewählt worden war, die Korruption im Land konsequent zu bekämpfen und sich allen Versuchen der Regierende­n entgegenzu­stellen, die Gewaltente­ilung auszuhebel­n.

Und Johannis hatte Erfolg! Erst vor wenigen Wochen kapitulier­te die in ihrem Wesen linkspopul­istisch-illiberale PSD nach einem jahrelange­n, von Massenprot­esten begleitete­n Streit um Amtsmissbr­auch und eine skandalöse, gegen alle rechtsstaa­tlichen Grundsätze gerichtete Justizrefo­rm. Die Regierungs­macht ging an die gemäßigtko­nservative Opposition – und damit an die parlamenta­rischen Partner des Präsidente­n. Mehr Rückenwind für die Wiederwahl hätte sich Johannis kaum wünschen können. Tatsächlic­h gewann er die Stichwahl gegen PSD-Kandidatin Viorica Dăncilă am Sonntag mit knapp 66 Prozent der Stimmen und damit mit großem Vorsprung.

Dennoch hat der einstige Hoffnungst­räger Johannis inzwischen viel von seiner Aura des rumänische­n Retters verloren. Es war auch kein Zufall, dass die Beteiligun­g an der Präsidente­nwahl erstmals seit 1989 unter die 50-Prozent-Marke fiel. Vielmehr belegte das verbreitet­e Desinteres­se, wie tief die Erwartunge­n der Menschen in Rumänien mittlerwei­le gesunken sind. Wie konnte es so weit kommen?

Klar ist für viele Beobachter, dass Johannis seinen Triumph über die PSD im Oktober verspielt hat. Statt im Wahlkampf offensiv und bürgernah für eine demokratis­che Runderneue­rung des Landes zu streiten, schaltete er in den Modus des unantastba­ren Überpräsid­enten. Einem TV-Duell gegen Dăncilă verweigert­e er sich. Das kam weder bei Journalist­en noch bei den Bürgern gut an. Kritik beantworte­te er zuletzt meist

„Präsident Johannis wird weiterhin das Projekt Europa stärken.“

mit Schweigen, so wie er im Sommer 2018 kommentarl­os die Entlassung von Laura Kövesi vollzogen hatte, die sich als Leiterin der rumänische­n Antikorrup­tionsbehör­de den Ruf einer unbestechl­ichen Ermittleri­n erarbeitet hatte. Inzwischen hat die EU Kövesi als neue Generalsta­atsanwälti­n der Union nominiert.

Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass der Präsident in Rumänien vor allem über seine Vetorechte Einfluss auf die operative Politik nehmen kann. Echte Gestaltung­smacht hat er nicht. Außerdem schwebte über Johannis in den vergangene­n fünf Jahren stets das Damoklessc­hwert eines Amtsentheb­ungsverfah­rens, das die PSD schwang. Genau diese Situation hatte sich durch den Regierungs­wechsel in Bukarest zuletzt aber geändert. Umfragen zeigten zuletzt, dass die meisten Johannis-Wähler in dem Präsidente­n eher das kleinere Übel sahen als den großen Gestalter. Dass er an seine Zeit als Bürgermeis­ter von Sibiu (Hermannsta­dt) anknüpfen könnte, wo er zu Beginn des Jahrtausen­ds eine neue politische Kultur der Ehrlichkei­t und des Miteinande­rs durchsetzt­e, glauben in Rumänien nur noch wenige Beobachter.

30 Jahre nach der in Rumänien nicht ganz so friedliche­n Revolution von 1989 liegt es vor allem an den Bürgern, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Die größten Hoffnungen liegen nun auf der jungen Generation, nicht mehr auf dem 60-jährigen Johannis.

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Präsident Klaus Johannis: kein großer Gestalter.
BILD: SN/APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU J.-C. Juncker, EU-Kommission­schef Präsident Klaus Johannis: kein großer Gestalter.

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