Die Gewalt gegen Frauen ist „schockierend“
In der Europäischen Union werden jedes Jahr rund 3500 Todesfälle als Folge häuslicher Gewalt gezählt. Das sind im Durchschnitt neun Tote pro Tag, sieben davon sind Frauen. Für Frauen ist das eigene Zuhause noch immer der gefährlichste Ort. Um daran zu erinnern, wurden am Montagabend die Institutionen der EU in oranges Licht getaucht. Während Rat, Parlament und Kommission am Internationalen Tag des Kampfes gegen Gewalt an Frauen in der warmen, hoffnungsfrohen Farbe leuchteten, führten die EU-Parlamentarier eine Debatte zum ernsten Thema.
„Die Zahlen sind schockierend“, sagt Evelyn Regner. Die SPÖ-Abgeordnete ist Vorsitzende des Frauenausschusses im EU-Parlament. „Eine von drei Frauen erlebt in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt. Jeder zweite Mord an einer Frau wird von jemandem aus dem nächsten Freundes- oder Familienumfeld begangen.“
Am Wochenende gingen in Brüssel, Paris und Rom Zehntausende
Menschen auf die Straße, um ein entschiedeneres Vorgehen der Politik gegen die Gewalt an Frauen und Mädchen zu fordern. In Frankreich wurden seit Jahresbeginn mindestens 116 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet, in Italien 94, in Belgien 20. „Auch die Zahlen für Österreich sind sehr beunruhigend“, sagt Regner. „2018 wurden 41 Frauen umgebracht, heuer bereits 18.“
Die EU ist bereits 2017 der „Istanbul-Konvention“beigetreten. Dieses Übereinkommen des Europarats schafft einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Prävention, Opferschutz und Bestrafung der Täter. Doch obwohl sich die Union bereits seit zweieinhalb Jahren zu den gemeinsamen Standards verpflichtet hat, haben sieben Mitgliedsstaaten die Konvention noch immer nicht ratifiziert: Großbritannien,
Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Litauen, Lettland, die Slowakei. Am Donnerstag will das EU-Parlament eine Resolution verabschieden, die die säumigen Länder in die Pflicht nimmt.
Sieht man Gewalt an Frauen und Mädchen als strukturelles Problem, das seine Wurzeln in der noch immer herrschenden Chancenungleichheit der Geschlechter hat, so gibt es in der politischen Teilhabe auf EU-Ebene einen Trend zum Besseren. Im Europaparlament sind 40,4% der Abgeordneten Frauen. Das liegt deutlich über dem Schnitt für nationale Parlamente. In der künftigen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen werden inklusive der Chefin 12 Frauen und 15 Männer sitzen. Das ist nicht die Geschlechterparität, die von der Leyen versprochen hat. Aber es ist mehr weibliche Beteiligung an der Macht, als es in dem Gremium je gegeben hat – sofern die Kommission am Mittwoch die nötige Zustimmung des EU-Parlaments erhält.