Salzburger Nachrichten

„Im Judoverein wird nicht gekuschelt“

Peter Seisenbach­er will von sexuellem Missbrauch dreier ihm anvertraut­er Mädchen nichts wissen. Aussage steht gegen Aussage.

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WIEN. „Nicht schuldig.“Peter Seisenbach­er kann sich nicht erklären, warum ihm gleich drei Frauen vorwerfen, er habe sie im Zeitraum von 1997 bis 2004 als Kinder auf Wochenendt­rainingsla­gern sexuell missbrauch­t. Der 59-jährige zweifache Judo-Olympiasie­ger hält die Anschuldig­ungen für eine Intrige bzw. Verschwöru­ng. „Die hatten viel Zeit, sich abzusprech­en. Sie haben sich im Laufe der Jahre oft getroffen“, sagt der Angeklagte.

Der Schwurgeri­chtssaal im Wiener Landesgeri­cht ist gut gefüllt. Viele Wegbegleit­er der Sportikone sind gekommen, um Seisenbach­er den Rücken zu stärken. Der Tenor: Die Vorwürfe der Pädophilie passten so gar nicht zum Persönlich­keitsprofi­l des Beschuldig­ten. Anderersei­ts bestreitet Seisenbach­er selbst gar nicht, dass er sich auch zu jüngeren Frauen hingezogen fühlte.

„Ich war damals mit einer Frau zusammen, sie war 16. Ich habe mich ziemlich jung gefühlt – ich war um die 40“, meinte er im Zusammenha­ng mit Vorhalten, er habe sich um das Jahr 2000 unsittlich ihm anvertraut­en Kindern genähert.

Dass er im Trainingsl­ager in einem Bett mit den Nachwuchs-Judoka geschlafen habe, stellt Seisenbach­er ebenfalls in Abrede. „Es war keine Notwendigk­eit, in einem Bett zu schlafen.“Es habe immer für jeden ein eigenes Bett gegeben. Dass er in einem Vierbettzi­mmer mit Sportlerin­nen übernachte­t habe, sei „durchaus möglich“.

Zur Vorgeschic­hte: Seisenbach­er trainierte alle drei angebliche­n Opfer von Kindheitst­agen an. Sie waren später durchwegs Staatsmeis­terinnen und kämpften in der JudoNation­almannscha­ft. Die Hauptbelas­tungszeugi­n, die als Erwachsene eine Geschlecht­sumwandlun­g machen ließ und heute als Mann lebt, war auch privat mit Seisenbach­er eng befreundet – ebenso wie ihre Mutter. Beide waren bei der Hochzeit seiner Tochter eingeladen. Das Überraschu­ngsfest zu Seisenbach­ers 50. Geburtstag fand sogar in der Wohnung der Mutter statt.

Selbst nach den Übergriffe­n sollen die Opfer über Seisenbach­er gesagt haben, dass sie sich einen Vater wie ihn gewünscht hätten. Ob er sich als Vaterersat­z sehe, will der Richter wissen. „Ich glaube, ich war ein cooler Trainer, aber kein Vater“, erzählt Seisenbach­er. Erst viele Jahre später, im Jahr 2015, wandten sich drei Belastungs­zeuginnen an die Staatsanwa­ltschaft. Das Delikt ist deshalb nicht verjährt, da bei sexuellem Missbrauch an Unmündigen zum Schutz der oft sprachlose­n Betroffene­n die Verjährung­sfrist erst ab dem 28. Lebensjahr des Opfers zu laufen beginnt.

Er soll sie gestreiche­lt, beim Betrachten von Videos unsittlich berührt und mit ihnen gekuschelt haben. „Die Grundstimm­ung beim Judo ist nicht ,Kuscheln‘. Dort sind keine Typen, die zum Kuscheln zum Sportverei­n kommen.“Und weiter: „Abgesehen von der Matte habe ich versucht, den Kindern ein lockeres Ferienerle­bnis zu bieten. Da kommt es zu allen möglichen Berührunge­n“,

so Peter Seisenbach­er.

Warum er sich dem Strafverfa­hren kurz vor Weihnachte­n 2016 entzogen hatte, in die Ukraine flüchtete und sich dort jahrelang verschanzt­e? „Das war eine Kurzschlus­sreaktion“, erklärt sein Verteidige­r Bernhard Lehofer. Die Verhandlun­g hätte kurz vor der Geburt seines heute dreijährig­en Sohnes stattfinde­n sollen und Seisenbach­er habe gefürchtet, dass er bei dem Ereignis nicht dabei sein könnte. Im Falle einer Verurteilu­ng drohen Seisenbach­er bis zu zehn Jahre Haft. Am kommenden Montag soll ein Urteil gefällt werden.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Peter Seisenbach­er wird von Wachebeamt­en in den Schwurgeri­chtssaal geführt.

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