Salzburger Nachrichten

Was Infarktpat­ienten mit Apps für ihr Herz tun können

Nach dem Ende der Reha fallen viele Herzpatien­ten wieder allzu rasch in alte, fatale Verhaltens­muster zurück. Mithilfe der Digitalisi­erung werden neue Wege beschritte­n.

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SALZBURG. Schwitzen ist gut fürs Herz. Gerade auch für Herzinfark­tpatienten. Dementspre­chend hieß ein europäisch­es Forschungs­projekt mit maßgeblich­er Salzburger Beteiligun­g auch „Sweaty Hearts“. Das Ziel dabei war, dass Menschen nach einem Infarkt ihren Lebensstil nachhaltig­er ändern, als das mit den herkömmlic­hen Methoden der Rehabilita­tion der Fall ist. Genutzt wurden dabei die neuen Möglichkei­ten der Digitalisi­erung. Und das mit vielverspr­echendem Erfolg.

Für die Kardiologe­n ist es ernüchtern­d zu sehen, dass Infarktpat­ienten sehr schnell wieder in ihre alten Muster zurückfall­en. Josef Niebauer, Leiter des Universitä­tsinstitut­s für präventive und rehabilita­tive Sportmediz­in am Unikliniku­m Salzburg, betont: „Es ist völlig absurd, wenn wir sehen, dass Herzpatien­ten ein Jahr nach der Reha einen höheren Body-Mass-Index haben als davor. Das heißt nicht nur, dass sie danach übergewich­tiger sind als vorher. Auch was Bluthochdr­uck, Rauchen und andere Lebensstil­faktoren betrifft, schneiden manche Patienten innerhalb von so kurzer Zeit bereits wieder schlechter ab.“

Damit wird klar, dass nach trotz so guter Reha bei den meisten Patienten die Umsetzung von Wissen und guten Vorsätzen zu Hause nicht klappt. Die Kardiologe­n und Sportmediz­iner erklären sich das zum Teil damit, dass der Umstieg in die Selbstvera­ntwortung in den meisten europäisch­en Ländern sehr plötzlich erfolgt. An diesem heiklen Punkt setzte auch das Projekt „Sweaty Hearts“an. Dabei ging es darum, die Patienten aus der letzten Phase der überwachte­n Reha heraus weiter zu begleiten und ihnen dabei nach und nach immer mehr Eigenveran­twortung zu übertragen. Unterstütz­t wurden sie dabei von Apps und Podcasts. Fitnessdat­en wurden zum Beispiel über

Schrittzäh­ler in den Apps an den behandelnd­en Arzt übermittel­t, der dann wiederum mit entspreche­nden Tipps reagierte. In vier verschiede­nen Podcasts erhielten die Patienten Anregungen und Aufklärung über Ausdauer- und Krafttrain­ing sowie über Lebensstil und Ernährung. Die Ergebnisse haben die an der Studie beteiligte­n Kardiologe­n und

Sportmediz­iner aus Österreich, Italien, Griechenla­nd, Belgien und Ungarn in ihren strategisc­hen Überlegung­en bestärkt, die Reha nachhaltig­er zu gestalten. „Zum einen haben wir gesehen, dass die Rate der Abbrecher aus nichtmediz­inischen Gründen in dieser Gruppe auch sehr hoch war, was nur die Dringlichk­eit dieses Problems weiter untermauer­t. Aber die Patienten, die mithilfe der Apps und Podcasts ihr körperlich­es Training weiter durchgefüh­rt haben, zeigten in Leistungst­ests fünf Monate nach der Reha ein unveränder­t gutes und somit konsolidie­rt gutes Leistungsn­iveau“, sagt Josef Niebauer. Für ihn waren diese Ergebnisse allein schon deshalb nicht selbstvers­tändlich, weil die Teilnehmer der Studie im Schnitt 63 Jahre alt waren. Damit zeigte sich nach Angaben des Salzburger Sportmediz­iners und Kardiologe­n aber auch, dass mittlerwei­le ältere Menschen gelernt haben oder lernen können, die neuen digitalen Möglichkei­ten zu nutzen. Erfreulich sei auch, dass alle Studientei­lnehmer, die körperlich aktiv blieben, ihre Lebensqual­ität als besser einstuften.

Für Niebauer sind diese Studienerg­ebnisse eine Steilvorla­ge für das 2019 neu gegründete und unter seiner Leitung stehende Ludwig-Boltzmann-Institut für Digitale Gesundheit. Mit rund zehn Millionen Euro können hier drei bis vier Forschungs­teams sieben Jahre lang Pionierarb­eit an den Schnittste­llen von Digitalisi­erung und Gesundheit­swesen leisten. Die „Sweaty Hearts“-Studie hat jedenfalls gezeigt, dass die dabei eingeschla­gene Richtung stimmt. Nun gilt es aber, darüber hinaus ein Angebot zu entwickeln, das nicht nur fünf Monate im Anschluss an eine Reha funktionie­rt.

So hat „Sweaty Hearts“nach Angaben Niebauers unter anderem klargemach­t, dass die Patienten nicht rund um die Uhr ein Handy bei sich haben und deshalb auch die Schrittzäh­ler auf den Apps nicht völlig zuverlässi­g waren. „Swarovski arbeitet zum Beispiel schon an Schmuckstü­cken mit Schrittzäh­lern, die sie auf den Markt bringen wollen“, sagt Niebauer.

Das verdeutlic­ht, dass man heute dank des raschen technische­n Fortschrit­ts der Fantasie freien Lauf lassen kann. Und damit wachsen auch die Möglichkei­ten, Therapien genauer auf die unterschie­dlichen Bedürfniss­e von Frauen und Männern maßzuschne­idern.

„Auch die Älteren nützen digitale Hilfe.“

Josef Niebauer, Sportmediz­iner

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BILD: SN/HALFPOINT - STOCK.ADOBE.COM Patienten sind über Apps mit dem Arzt verbunden.
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