Salzburger Nachrichten

Die türkis-grünen Verhandlun­gen werden diese Woche Chefsache

Ex-Wissenscha­ftsministe­r Karlheinz Töchterle kennt sowohl Grüne als auch ÖVP von innen. Einer Koalition der beiden gibt er gute Chancen.

- ALEXANDER PURGER

Nachdem die Chefverhan­dler über das Wochenende die Ergebnisse der Untergrupp­en gesichtet haben, wollen sie am Montag kundtun, wie es um die türkis-grünen Regierungs­verhandlun­gen steht. Diese Woche geht es intensiv weiter: ÖVP-Chef Sebastian Kurz und

Grünen-Chef Werner Kogler haben sich die Tage für Termine freigeräum­t. Offenbar sind das Kapitel Kultur und andere Themen bereits „durch“. Ex-Wissenscha­ftsministe­r Karlheinz Töchterle gibt einer türkis-grünen Koalition gute Chancen, wie er im SN-Interview sagt.

WIEN. Karlheinz Töchterle war in seiner Heimat Tirol lange Zeit bei den Grünen aktiv, ehe er für die ÖVP parteifrei­er Wissenscha­ftsministe­r (2011 bis 2013) und später Abgeordnet­er wurde. Er kennt also beide Parteien, die derzeit über eine Koalition verhandeln.

SN: Glauben Sie, dass die Koalitions­verhandlun­gen von ÖVP und Grünen letztlich erfolgreic­h sein werden? Töchterle: Ich glaube schon, dass das was wird. Denn erstens sind beide beinahe zum Erfolg verdammt, weil es ja kaum Alternativ­en gibt. Und zweitens ist es die stimmigste Koalition, die Regierung, die am besten in die heutige Zeit passt.

SN: Inwiefern? Als jemand, der seit 50 Jahren umweltbewu­sst lebt und das Klima zu schützen versucht, empfinde ich die gegenwärti­ge Klimadebat­te als hysterisch. Aber der Klimaschut­z ist nun einmal das Gebot der Stunde. Und da sind die Grünen, die das Thema vorantreib­en, und die ÖVP, die mit Augenmaß darauf achtet, dass bei allem Klimaschut­z die Wirtschaft nicht kaputtgeht, eine gute Kombinatio­n. Manche Schwarze sind am Umweltauge blind und manche Grüne sind am Wirtschaft­sauge blind. Eine türkisgrün­e Koalition sieht, so denke ich, mit beiden Augen.

SN: Österreich kann in den nächsten fünf Jahren die tollste Klimapolit­ik machen und auf alles Klimaschäd­liche verzichten, aber die weltweiten Klimadaten werden sich dadurch nicht ändern. Ist da nicht der Frust der Wähler programmie­rt? Wir Österreich­er werden das Weltklima nicht retten, das ist schon klar. Aber wir können Maßnahmen ergreifen, die sowohl dem Klima als auch der Bevölkerun­g nützen. Etwa, indem man den wahnwitzig­en Straßenver­kehr in Tirol eindämmt. Oder etwas gegen den enormen Bodenverbr­auch in Österreich tut. Damit wäre allen gedient – den Menschen und auch dem Klima.

SN: Das klingt jetzt so, als wäre eine türkis-grüne Koalition eine g’mahte Wiesn. Nein, beide müssen höllisch aufpassen, ihre Wählerklie­ntel nicht zu verschreck­en. Alle Wahlen haben zuletzt gezeigt: Die ÖVP zieht viele Stimmen von der FPÖ ab und die Grünen viele Stimmen von der SPÖ. Darin liegt natürlich eine Gefahr. Denn wenn Sebastian Kurz zu sehr auf die Grünen zugeht – etwa beim Tempo 100 –, wird er Wähler an die FPÖ verlieren. Und bei den Grünen ist es genauso. Das wird die Schwierigk­eit dieser Koalition werden. Denn klarerweis­e wird es Kompromiss­e geben müssen.

SN: Wird ein Koalitions­pakt mit all diesen Kompromiss­en die Gremien von ÖVP und Grünen problemlos passieren? Kurz hat die ÖVP so sehr hinter sich, dass er seine Entscheidu­ngen sicher durchsetze­n kann. Werner Kogler hat es schwerer, da die Grünen das aufmüpfige­re Völkchen sind. Ich sehe in Kogler auch nicht den großen Retter der Grünen. Er ist sicher tüchtig und jetzt der Richtige, aber im Grunde haben die Grünen jetzt nicht viel mehr Stimmen als vor ihrer Krise 2017. Also ich glaube, es wird eher Kogler als Kurz in Schwierigk­eiten kommen, wenn er zu viele Kompromiss­e eingeht.

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BILD: SN/PARLAMENT - SIMONIS Der ehemalige ÖVP-Minister hofft auf Türkis-Grün.

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