Heinz-Christian Strache und die Droge Öffentlichkeit
Wer einmal im Rampenlicht stand, kann nur schwer wieder davon lassen.
Wer die Krämpfe, in denen sich die FPÖ seit Monaten windet, verfolgt, stellt sich unweigerlich die Frage: Warum erspart Heinz-Christian Strache seiner Partei das nicht? Warum sieht er nicht ein, dass seine Karriere vorbei ist und er der FPÖ nur noch schadet?
Die Antwort ist rasch gegeben: Strache kann einfach nicht. Er ist ein Süchtiger, der von seiner Droge nicht lassen kann. Und diese Droge heißt öffentliche Aufmerksamkeit.
Ohne sie kann Strache anscheinend nicht leben. Den kalten Entzug, dem er sich seit der Ibiza-Affäre unterwerfen musste, unterbrach er vergangene Woche für einen Auftritt bei einer Raucher-Demonstration in Wien. Dort genoss er wieder in vollen Zügen, was er so lange entbehren musste: das Bad in der Menge, das Scheinwerferlicht, die Mikrofone, die Hunderten Selfies. Offenbar berauscht von diesem Erlebnis setzte er sich noch in derselben Nacht hin und unterbreitete der FPÖ sein Angebot, wieder die Wiener FPÖ zu übernehmen. Und, so darf man ergänzen: wieder im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.
Strache ist bei Weitem nicht der Einzige, der diesbezüglich Entzugserscheinungen hat. Die Zahl der Altpolitiker vor allem in der ÖVP, die es nicht verwinden können, nicht mehr um ihre Meinung gefragt zu werden, und daher auf ihre Partei schimpfen wie die Rohrspatzen, weil sie nur noch dadurch in die Medien kommen, ist Legion. Ein alter ÖVPler, dem seine diesbezüglichen Auftritte innerparteilich zum Vorwurf gemacht wurden, antwortete: „So lasst mir doch meine letzte Freude!“
Die öffentliche Aufmerksamkeit als letzte Freude, als Sucht und als Droge. – Es ist (und das ist jetzt keineswegs despektierlich gemeint) uraltes Erbe, das da zum Tragen kommt. Auch in Tierrudeln erkennt man das ranghöchste Rudelmitglied daran, dass es von den anderen Mitgliedern am öftesten angeblickt wird. Aufmerksamkeit zu erregen steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ranghöhe. Wer die Blicke der Öffentlichkeit auf sich zieht, darf sich geschmeichelt fühlen. Er nimmt einen hohen Rang ein und ist wichtig.
Wenn die öffentliche Aufmerksamkeit plötzlich nachlässt, empfinden das viele als Zurücksetzung, als persönliche Kränkung. Und damit muss man erst einmal umgehen lernen. Vor diesem Problem stehen nicht nur Politiker, sondern alle Menschen, die eine Zeit lang im Licht der Öffentlichkeit standen – Künstler, Sportler, „Experten“, Medienleute.
Manche schaffen es, sich im Leben nach der Prominenz gut einzurichten. Andere schaffen es nicht. Heinz-Christian Strache scheint zur zweiten Gruppe zu zählen. Er will wieder ins Rampenlicht – sei es mit Hilfe der FPÖ oder gegen sie, also mit einer eigenen Partei.