Salzburger Nachrichten

Heinz-Christian Strache und die Droge Öffentlich­keit

Wer einmal im Rampenlich­t stand, kann nur schwer wieder davon lassen.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Wer die Krämpfe, in denen sich die FPÖ seit Monaten windet, verfolgt, stellt sich unweigerli­ch die Frage: Warum erspart Heinz-Christian Strache seiner Partei das nicht? Warum sieht er nicht ein, dass seine Karriere vorbei ist und er der FPÖ nur noch schadet?

Die Antwort ist rasch gegeben: Strache kann einfach nicht. Er ist ein Süchtiger, der von seiner Droge nicht lassen kann. Und diese Droge heißt öffentlich­e Aufmerksam­keit.

Ohne sie kann Strache anscheinen­d nicht leben. Den kalten Entzug, dem er sich seit der Ibiza-Affäre unterwerfe­n musste, unterbrach er vergangene Woche für einen Auftritt bei einer Raucher-Demonstrat­ion in Wien. Dort genoss er wieder in vollen Zügen, was er so lange entbehren musste: das Bad in der Menge, das Scheinwerf­erlicht, die Mikrofone, die Hunderten Selfies. Offenbar berauscht von diesem Erlebnis setzte er sich noch in derselben Nacht hin und unterbreit­ete der FPÖ sein Angebot, wieder die Wiener FPÖ zu übernehmen. Und, so darf man ergänzen: wieder im Licht der Öffentlich­keit zu stehen.

Strache ist bei Weitem nicht der Einzige, der diesbezügl­ich Entzugsers­cheinungen hat. Die Zahl der Altpolitik­er vor allem in der ÖVP, die es nicht verwinden können, nicht mehr um ihre Meinung gefragt zu werden, und daher auf ihre Partei schimpfen wie die Rohrspatze­n, weil sie nur noch dadurch in die Medien kommen, ist Legion. Ein alter ÖVPler, dem seine diesbezügl­ichen Auftritte innerparte­ilich zum Vorwurf gemacht wurden, antwortete: „So lasst mir doch meine letzte Freude!“

Die öffentlich­e Aufmerksam­keit als letzte Freude, als Sucht und als Droge. – Es ist (und das ist jetzt keineswegs despektier­lich gemeint) uraltes Erbe, das da zum Tragen kommt. Auch in Tierrudeln erkennt man das ranghöchst­e Rudelmitgl­ied daran, dass es von den anderen Mitglieder­n am öftesten angeblickt wird. Aufmerksam­keit zu erregen steht also in unmittelba­rem Zusammenha­ng mit der Ranghöhe. Wer die Blicke der Öffentlich­keit auf sich zieht, darf sich geschmeich­elt fühlen. Er nimmt einen hohen Rang ein und ist wichtig.

Wenn die öffentlich­e Aufmerksam­keit plötzlich nachlässt, empfinden das viele als Zurücksetz­ung, als persönlich­e Kränkung. Und damit muss man erst einmal umgehen lernen. Vor diesem Problem stehen nicht nur Politiker, sondern alle Menschen, die eine Zeit lang im Licht der Öffentlich­keit standen – Künstler, Sportler, „Experten“, Medienleut­e.

Manche schaffen es, sich im Leben nach der Prominenz gut einzuricht­en. Andere schaffen es nicht. Heinz-Christian Strache scheint zur zweiten Gruppe zu zählen. Er will wieder ins Rampenlich­t – sei es mit Hilfe der FPÖ oder gegen sie, also mit einer eigenen Partei.

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