Salzburger Nachrichten

„Führersche­inkönig“vor Gericht

Neben Betrugs- und Steuerdeli­kten geht es um eine heikle Rechtsfrag­e.

- SN, dpa

Nach jahrelange­n Ermittlung­en beginnt am Mittwoch ein Prozess gegen den selbsterna­nnten „Führersche­inkönig“von Detmold. Am Landgerich­t müssen sich ein 51Jähriger und seine Ehefrau wegen gewerbsmäß­igen Betrugs und Steuerhint­erziehung verantwort­en. Auf das Paar wartet ein Mammutverf­ahren. In der Anklagesch­rift sind über 1000 Zeugen aus ganz Deutschlan­d und dem Ausland genannt. Das Gericht hat bis Ende Mai 2020 vorsorglic­h 40 Prozesstag­e angesetzt.

Das Ehepaar soll mit seiner Firma tausendfac­h dabei geholfen haben, dass Autofahrer, die in Deutschlan­d ihren Führersche­in wegen Trunkenhei­t oder wiederholt­er Raserfahrt­en verloren haben, einen Ersatz im EU-Ausland wie England oder Tschechien bekommen. Das ist unter bestimmten Voraussetz­ungen legal. Aber: Zahlreiche Kunden gingen laut Anklage trotz geleistete­r Zahlungen leer aus. Nach Meinung der Staatsanwa­ltschaft hatte der Mann Anträge entgegenge­nommen, bei denen er wusste, dass sie keinen Erfolg haben würden. Die Ermittler werfen dem Paar Vergehen im Steuerrech­t vor. Aufgeliste­t hat die Anklage Hunderte Fälle. Laut Anklage liegen die Schäden im Millionen-Euro-Bereich. Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum von Februar 2012 bis Mai 2019. Beim Vorwurf Betrug geht es um Kunden des Paares, die für die Dienstleis­tungen gezahlt haben, aber keine neue „Fleppe“erhalten haben wollen.

Betrug und Steuerhint­erziehung sind das eine, im Raum schwebt aber auch eine strittige Rechtsfrag­e: Der Mann sieht sich selbst als Dienstleis­ter für Autofahrer, die in Deutschlan­d aus den unterschie­dlichsten Gründen ihren Führersche­in verloren haben. Im Angebot hat er dabei verschiede­ne Geschäftsm­odelle. Er bereitete über die Jahre Tausende Klienten zum Beispiel auf die Medizinisc­h-Psychologi­sche Untersuchu­ng (MPU), auch Idiotentes­t genannt, vor.

Oder er vermittelt­e, wenn seine Kunden neue EU-Führersche­ine im Ausland wie in Tschechien oder England bekommen wollten. Der Angeklagte fühlt sich von der Staatsanwa­ltschaft regelrecht verfolgt. „Es werden nur fünf Verhandlun­gstage werden. Die Anklage wird in sich zusammenfa­llen“, sagte der Mann aus Detmold der Deutschen Presse-Agentur vor dem Prozess.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat den Führersche­intourismu­s von Verkehrssü­ndern, die den MPU-Test umgehen wollen, bereits vor Jahren eingeschrä­nkt. Die Richter in Luxemburg stellten 2012 klar, dass andere EU-Staaten nur dann neue Fahrerlaub­nisse ausstellen dürfen, wenn die Bewerber einen ordentlich­en Wohnsitz haben, nachweisli­ch länger in dem Land leben und ihre Sperre in Deutschlan­d nach der Führersche­inabnahme abgelaufen ist.

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