Salzburger Nachrichten

Klimagipfe­l der geringen Erwartunge­n

Schüler im Klimastrei­k und Länder im Klimanotst­and erhöhen den Druck auf die Weltklimak­onferenz ab Montag in Madrid.

-

Von 2. bis 13. Dezember wird in Madrid über die nächsten Schritte im Kampf gegen den globalen Klimawande­l verhandelt. Die Erwartunge­n an die 25. Weltklimak­onferenz (COP 25, Conference of the Parties) sind kaum höher als in früheren Jahren. Und das, obwohl Bewegungen wie Fridays for Future, gestiegene Temperatur­en und neue Erkenntnis­se über die Rekordkonz­entration von Treibhausg­asen in der Atmosphäre eine Dringlichk­eit erzeugen, die es vorher nicht gab.

Helmut Hojesky, der die Klimapolit­ik im Wiener Umweltmini­sterium koordinier­t und die österreich­ische Beamtendel­egation in Madrid leitet, bremst allerdings die Hoffnungen: Das Treffen mit 25.000 Teilnehmer­n, darunter die schwedisch­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg, sei „ein Zwischensc­hritt“auf dem Weg zur COP 26 nächstes Jahr in Glasgow.

In Madrid, wohin die Konferenz wegen der Unruhen in Santiago de Chile kurzfristi­g verlegt worden ist, geht es vor allem um technische Fragen, insbesonde­re um neue Mechanisme­n für den internatio­nalen Handel mit CO2-Zertifikat­en ab 2021. Auf 50:50 schätzt Hojesky die Chance auf einen Kompromiss. Grundsätzl­ich sei es schon ein Erfolg, dass die Länder überhaupt verhandelt­en.

Hier eine Orientieru­ng:

Neue Ziele?

Trotz neuer UNO-Berichte, wonach die bisher weltweit zugesagten Klimaschut­zmaßnahmen bei Weitem nicht ausreichen, um die Erderwärmu­ng wie versproche­n zu begrenzen, werden in Madrid keine höheren Zusagen erwartet. Laut Pariser Klimaabkom­men, um dessen Umsetzung es jetzt geht, soll die durchschni­ttliche Erderwärmu­ng bis zum Ende des Jahrhunder­ts auf „deutlich unter zwei Grad“begrenzt werden. Was die 187 Staaten, die dem Vertrag beigetrete­n sind, bisher versproche­n haben, reicht bestenfall­s für drei Grad. Erst bei der UNO-Klimakonfe­renz in Glasgow 2020 geht es um eine Kurskorrek­tur und spätestens dann müssen die Länder ihre Klimazusag­en erhöhen.

Vorreiter EU?

Die EU gilt als Vorzeigere­gion beim Klimaschut­z, will – und muss – aber ebenfalls mehr tun. Beim Dezembergi­pfel der Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel, der zeitgleich mit der Madrid-Konferenz stattfinde­t, wollen sich die EUStaaten auf eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 einigen. Im Juni ist das vor allem an Polen, Ungarn und Tschechien gescheiter­t. Vor dem EU-Gipfel will zudem die neue EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen ihren „Green Deal“präsentier­en, ein EU-Klimaschut­zgesetz. Das alles bedeutet, dass die EU ihr CO2-Einsparzie­l von minus 40 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 1990) verschärfe­n muss. Dazu müssen sich aber die 28 EU-Staaten untereinan­der einigen, denn bei der Klimakonfe­renz tritt die EU mit einer Stimme auf.

Gibt es Strafen?

Bisher müssen die Unterzeich­nerstaaten der UNO-Klimakonve­ntion alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen, der auch kontrollie­rt wird.

Dann rückt ein internatio­nales Team aus Bonn an, dem Sitz des Klimasekre­tariats, und checkt, ob die Zahlen plausibel sind. Gibt es große Abweichung­en, wird das gemeldet und öffentlich gemacht. Bußgelder gibt es nicht. Politisch am Pranger zu stehen wirke aber fast mehr als eine Geldstrafe, sagt Hojesky. Im Kyoto-Protokoll konnten von Industriel­ändern noch Nachbesser­ungen verlangt werden. Für das Pariser Klimaabkom­men wurden voriges Jahr neue Regeln für das Berichtswe­sen beschlosse­n, die ab 2024 gelten.

CO2-Märkte?

Im Zentrum der Verhandlun­gen in Madrid steht Artikel 6 des Pariser Abkommens. Der sieht vor, dass Länder, Städte oder Unternehme­n mit CO2-Zertifikat­en handeln können. Die Frage ist, wie das berechnet und kontrollie­rt und Missbrauch verhindert wird. 2018 in Kattowitz verhindert­e Brasilien die Einigung. Wichtiger als eine schnelle

Lösung sei, Doppelzähl­ungen wie im Kyoto-Protokoll beim Clean-Developmen­t-Mechanismu­s (CDM) zu verhindern, betont Jürgen Schneider, Sektionsch­ef im Umweltmini­sterium.

Neues Geld?

Ab 2020 sollen die Industriel­änder jährlich 100 Milliarden Dollar bereitstel­len, um Klimaschut­z- und Anpassungs­maßnahmen in Ländern zu finanziere­n, die am stärksten vom Klimawande­l betroffen, aber kaum dafür verantwort­lich sind. 2017 sind laut OECD bereits 70 Milliarden Euro geflossen. Ein kleiner, aber wichtiger Teil des Geldes fließt über den Grünen Klimafonds. Das Problem: Viele Länder haben Geld versproche­n, aber nicht bezahlt. Die USA haben von den versproche­nen drei nur zwei Milliarden Dollar gezahlt. Umweltorga­nisationen fordern mehr Geld, um auch Schäden des Klimawande­ls zu finanziere­n, wie Ernteausfä­lle.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Das arktische Eis schmilzt – das zieht auch Touristen an.
BILD: SN/AFP Das arktische Eis schmilzt – das zieht auch Touristen an.

Newspapers in German

Newspapers from Austria