Salzburger Nachrichten

Mallorcas Strände könnten schon bald im Meer verschwind­en

Das Austragung­sland der Weltklimak­onferenz bekommt den Klimawande­l besonders zu spüren.

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Die Spätherbst­urlauber auf Mallorca und an der spanischen Mittelmeer­küste freut es: Unter der knallenden Sonne können sie in Shirt und Shorts am Strand spazieren. Doch normal seien die fast schon sommerlich­en Novemberte­mperaturen nicht, heißt es im staatliche­n Wetteramt Aemet. Die Meteorolog­en beobachten mit Sorge, dass das Klima an der Mittelmeer­küste zunehmend verrücktsp­ielt: mehr Trockenhei­t über das ganze Jahr, mehr Hitzeperio­den. Und dies nicht nur im Sommer, der inzwischen fünf Wochen länger dauert als vor 20 Jahren.

Extremes Wetter wird vom 2. bis zum 13. Dezember auch die UNOKlimako­nferenz beschäftig­en. Auf dem Klimagipfe­l, an dem 25.000 Politiker, Wissenscha­fter und Umweltschü­tzer aus 200 Ländern teilnehmen werden, soll über die Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens von 2015 beraten werden.

Erst kürzlich warnten in Barcelona Hunderte Wissenscha­fter des Forscherne­tzwerks MedECC, dass der Klimawande­l im Mittelmeer­raum stark vorangesch­ritten ist: Schon jetzt sei in der Region eine Erwärmung von 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustr­iellen Niveau erreicht – jenes Limit, das laut dem Pariser Klimaabkom­men weltweit als Maximalwer­t bis zum Jahr 2100 angestrebt werden soll. „Ohne Maßnahmen wird der regionale Temperatur­anstieg bis zum Jahr 2040 2,2 Grad Celsius betragen, und er kann möglicherw­eise in einigen Gebieten bis 2100 sogar 3,8 Grad übersteige­n“, lautet die Schlussfol­gerung der MedECC-Forscher.

Die Untersuchu­ng weist nach, dass die Erderwärmu­ng in Südeuropa, Nordafrika und dem Nahen Osten um 20 Prozent schneller vonstatten­geht als im globalen Durchschni­tt. Das Mittelmeer­gebiet sei einer der Krisenherd­e des globalen Klimawande­ls, sagen die Experten. Schon innerhalb der nächsten 20 Jahre müssten rund 250 Millionen Menschen in den Anrainerlä­ndern mit den Folgen von Dürre und Trinkwasse­rmangel kämpfen.

Mit einem beschleuni­gten Temperatur­anstieg könnte sich auch der Wasserspie­gel mehr als bisher befürchtet erhöhen. Mit dramatisch­en Folgen für die Küstenland­schaften, die im Meer versinken könnten – etwa auf Mallorca: Nach den Schätzunge­n der MedECC-Wissenscha­fter könnte das Mittelmeer bis 2100 zwischen 52 und 190 Zentimeter ansteigen.

Spanien unterschät­zt die Risiken der Erderwärmu­ng. Langfristi­ge Umwelt- und Klimapolit­ik existierte im Königreich bis vor Kurzem nicht. Die reichlich vorhandene Sonne wurde kaum als Energieque­lle genutzt. Ökoparteie­n, wie etwa die Grünen, spielen keine Rolle in der politische­n Landschaft.

Die Umweltbila­nz fällt schlecht aus: In keinem anderen EU-Land nahmen die Treibhausg­ase stärker zu als in Spanien. Zwischen 1990 und 2017 stieg der Schadstoff­ausstoß um 17,9 Prozent. Im EU-Durchschni­tt sanken derweil die Emissionen um 23,5 Prozent.

Der Gastgeber des Klimagipfe­ls, Madrids Bürgermeis­ter José Luis Martínez-Almeida, geht mit schlechtem Beispiel voran. Er will das von der Vorgängerr­egierung eingeführt­e Fahrverbot für abgasreich­e Autos lockern. Und das, obwohl die Schadstoff­belastung in der Stadt dank der Fahrbeschr­änkungen deutlich sank.

Doch es gibt Hoffnung: Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez will, dass sein Land bis 2050 zu den abgasfreie­n, klimaneutr­alen Staaten gehört. Er appelliert­e an die Spanier: „Wir müssen aufwachen.“

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