Salzburger Nachrichten

Mieczysław Weinberg hält in Salzburg Einzug

Gidon Kremer beehrt ein Festival zum 100. Geburtstag des entdeckens­werten Komponiste­n.

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SALZBURG. Es war einer der berührends­ten Momente des Salzburger Konzertjah­res: Das Mozarteumo­rchester spielte Mitte Oktober unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla die Symphonie Nr. 2 von Mieczysław Weinberg. Nur wenige im Großen Festspielh­aus mögen mit der Musik des 1993 verstorben­en Komponiste­n zuvor vertraut gewesen sein, doch die zutiefst klangstark­e, emotionale, eigenwilli­ge Musik hinterließ tiefe Spuren.

Die erst 33-jährige Dirigentin ist ein wichtiger Baustein in der Entdeckung des Werks des Komponiste­n, dessen 100. Geburtstag am 8. Dezember gefeiert wird. GražinytėT­ylas Aufnahmen der Symphonien Nr. 2 und 21 („Kaddish“) sind heuer bei der Deutschen Grammophon erschienen. Vor allem das 1991 komponiert­e Spätwerk zeigt, welch unglaublic­h vielfältig­e Musik der Komponist schuf. Weinberg, der vor den Nationalso­zialisten aus seiner Geburtssta­dt Warschau fliehen musste, widmete seine letzte Symphonie „dem Andenken der im

Warschauer Ghetto Ermordeten“. Gidon Kremer interpreti­ert den Soloviolin­part in einer Art und Weise, die durch Mark und Bein geht.

Der große Geiger hat im Jubiläumsj­ahr drei weitere Aufnahmen mit Werken Weinbergs vorgelegt, am Samstag wird er in Salzburg mit zwei Solosonate­n des Komponiste­n zu hören sein. Das Konzert ist Teil eines fünftägige­n Festivals, das vom Salzburger stadler quartett zu Ehren

Weinbergs veranstalt­et wird. Das Streichqua­rtett taucht seit einiger Zeit tief in die Klangwelte­n ein, die er in 17 Werken für dieses Genre kreiert hat. „Vor eineinhalb Jahren begannen wir erstmals, uns mit seinen Streichqua­rtetten auseinande­rzusetzen“, erzählt Primgeiger Frank Stadler. „Nach jeder Probe wurden unsere Ohren größer.“

Aus der intensiven Beschäftig­ung mit Weinbergs Musik sei der Wunsch nach einem Festival entstanden, erzählt Stadler. Für dieses Unterfange­n wurden wichtige Kooperatio­nspartner gefunden: Universitä­t Mozarteum und Musikum Salzburg stellen Musiker und Spielstätt­en für das Projekt zur Verfügung, auch in der Synagoge Salzburg erklingen Werke des wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgten Komponiste­n.

Am Eröffnungs­abend im Das Kino wird der in Cannes prämierte Film „Wenn die Kraniche ziehen“mit Musik Weinbergs gezeigt. „Filmmusik spielt in seinem Schaffen eine große Rolle“, sagt Stadler. Das stadler quartett interpreti­ert während des Festivals insgesamt sieben Kompositio­nen für Streichqua­rtett. Auch Mirga GražinytėT­yla wird aktiv am Festival mitwirken. „Mieczysław Weinbergs Werk zählt mittlerwei­le zu meinen Lebensleid­enschaften und -aufgaben. So gut wie jede seiner Partituren, mit der ich mich tiefer und länger beschäftig­e, möchte ich Meisterwer­k nennen“, schwärmt die ehemalige Musikdirek­torin des Landesthea­ters. Auch das Engagement von Gidon Kremer sei alter Verbundenh­eit mit der Dirigentin zu verdanken, sagt Frank Stadler. Der Initiator will das Festival, das am Sonntag im Mozarteums-Solitär mit einem dreitägige­n Geburtstag­sfest für Weinberg endet, dauerhaft in Salzburg verankern. Für eine mögliche Fortsetzun­g 2020 wünscht er sich auch die Aufführung großer Orchesterw­erke. „Meine Zeit wird kommen“, soll Weinberg Stadler zufolge seiner Tochter gesagt haben. Am Ende des Jubiläumsj­ahres deutet vieles darauf hin.

Festival: „Weinberg 100“, 4. bis 8. Dezember. Eröffnungs­abend im Das Kino, Salzburg, 20 Uhr.

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BILD: SN/KREMER.NET Gidon Kremer

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