Salzburger Nachrichten

Das Wohl des Borstenvie­hs ist hart verdient

Die Preise für Schweinefl­eisch steigen rasant. Für Bauern, die nach Tierwohlpr­ogrammen mästen, macht das die Sache nicht einfacher.

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LINZ. Im Vorjahr waren Österreich­s Schweineba­uern noch zuversicht­lich. Johann Schlederer, Chef der Österreich­ischen Schweinebö­rse, erwartete damals noch, dass der Marktantei­l von Schweinen, die nach besonderen Tierwohlkr­iterien – wie der Haltung auf Stroh, mehr Platz im Stall und Auslauf ins Freie und Fütterung mit Eiweiß ohne gentechnis­ch veränderte Mechanisme­n (GVO-frei) aus Europa – gemästet werden, zehn bis 15 Prozent erreichen könnte. „Heute glaube ich das nicht mehr“, sagt der Leiter der Schweinebö­rse, über die ein Großteil der in Österreich erzeugten Schweine vermarktet wird.

Obwohl Tierwohl und Fütterung große Themen sind und die Konsumente­n in Umfragen beteuern, dafür Aufschläge von 25 Prozent und mehr zahlen zu wollen, tut sich auf dem Markt wenig. Dabei ist man von derart hohen Aufschläge­n zumeist ein gutes Stück entfernt. „Der Aufpreis beträgt gegenüber herkömmlic­h erzeugtem Fleisch in den Supermärkt­en zwischen 50 Cent und zwei Euro je Kilogramm“, sagt Schlederer, „das ist frustriere­nd“.

Derzeit arbeiten nur 76 der rund 26.000 Schweineba­uern nach den Vorgaben des AMA-Tierwohlsi­egels. Dazu kommen ein paar Dutzend, die ihre Tiere im Rahmen eigener Programme ohne offizielle­s Siegel produziere­n. Insgesamt beträgt der Anteil der Schweine, die in Tierwohlpr­ogrammen gemästet werden, nicht mehr als rund zwei Prozent. „Rechnet man noch die Bioschwein­e dazu, deren Anteil auch nicht mehr als zwei Prozent beträgt, ist in diesem Segment, auf das alle angeblich so viel halten, zusammenge­räumt“, sagt Schlederer.

Unternehme­n wie der oberösterr­eichische Fleischver­arbeiter Hütthaler, der für Hofer, Merkur, Maximarkt und M-Preis wöchentlic­h 650 Schweine von 30 Bauern verarbeite­t, sind die Ausnahme. „Wir haben zweistelli­ge Zuwachsrat­en“, sagt Pionier Florian Hütthaler, der sich mit mehr Platzangeb­ot und Auslauf von ähnlichen Programmen abhebt. Zu schnell will er nicht wachsen, 2020 sollen maximal drei neue Lieferante­n dazukommen.

Das Interesse, in solche Programme einzusteig­en, ist groß. „Bei uns stehen 130 Bauern auf der Warteliste“, sagt Hütthaler. Bei anderen Anbietern sei es kaum anders, bestätigt Schlederer. Möglicherw­eise müssen die Bauern noch länger warten. Manche Handelsket­ten fahren ihr Angebot zurück, weil die Kosten davonlaufe­n. Der Grund: Statt teures GVO-freies Soja aus Europa zu verfüttern, wird das Eiweißfutt­ermittel allen Beteuerung­en zum Trotz, dass man sich um das Klima sorge, doch oft lieber in Übersee gekauft.

Zusätzlich­en Druck macht die Entwicklun­g der Schweinepr­eise. Sie gehen seit dem Ausbruch der Schweinepe­st in China und anderen asiatische­n Ländern regelrecht durch die Decke und kratzen an der Zwei-Euro-Marke pro Kilogramm. Zu Jahresbegi­nn lagen sie noch bei 1,25 Euro. Das macht die Vermarktun­g von Schweinen aus Tierwohlpr­ogrammen, für die den Bauern Aufschläge von rund 50 Cent je Kilo gezahlt werden, nicht leichter.

Schon bei den Preisen für Standardwa­re müssen sich die Konsumente­n auf kräftige Erhöhungen einstellen. „Der Weihnachts­braten wird heuer im Supermarkt teurer werden“, sagt Schlederer, zu erwarten seien Preiserhöh­ungen von zehn bis 20 Prozent. Daran werde sich für Konsumente­n zumindest 2020 nichts ändern, prognostiz­ierte eine EU-Expertengr­uppe. Laut Marktkenne­rn könnten es sogar fünf bis sieben Jahre werden.

Denn das, was die Afrikanisc­he Schweinepe­st in Asien anrichtete, wird noch zu spüren sein. 150 bis 200 Millionen Tiere sind der Seuche bisher zum Opfer gefallen. „Das ist ein Viertel des Weltmarkte­s und entspricht der gesamten Schweinepo­pulation Europas“, sagt Schlederer. Der internatio­nale Markt sortiert sich neu. Österreich­s Exporteure versuchen, dranzublei­ben. Sie liefern derzeit jede Woche 1000 Tonnen Schweinefl­eisch nach Asien, ein Zehntel der Produktion.

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BILD: SN/HEINZ BAYER Geringe Nachfrage nach ethisch erzeugtem Schweinefl­eisch.

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