„Mein Leben ist vom Glück begleitet“
Werner Waldmann gründete die Austrian Doctors. Er behandelte ehrenamtlich Menschen in den ärmsten Regionen der Welt.
SALZBURG. Werner Waldmann ist dankbar – aus drei Gründen: „Erstens für eine Frau, die es 68 Jahre mit mir ausgehalten hat“, erklärt der gebürtige Lungauer. „Zweitens für eine große Nachkommenschaft, die eine positive Energie hat und mich in guten Momenten glauben lässt, dass die Welt noch zu retten ist.“Und drittens ist der heute 91-Jährige dankbar für seinen Beruf als Mediziner. Waldmann ist vielen Salzburgerinnen und Salzburgern noch als ihr Kinderarzt in guter Erinnerung. Diesen Traumberuf habe er auf der Ebene des Broterwerbs, der Ebene der Standespolitik und der Ebene des Hobbys ausführen können. Und er sei auf jeder dieser Ebenen mit einer anderen Währung belohnt worden: Mit Geld, mit Schulterklopfen und „zum Schluss durfte ich erfahren, was SaintExupéry damit gemeint hat: ,Die wahre Freude ist die Freude am anderen‘“, erklärt Waldmann. „Hier war die Währung das Lächeln in einem Gesicht, das 30 Jahre nicht gelächelt hat, die scheue Berührung einer Frau und das Dankbare: ,Doktor, du weißt gar nicht, wie glücklich ich bin.‘“
Kürzlich erhielt Werner Waldmann in Wien das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste für die Republik Österreich. Sein uneingeschränktes Engagement für notleidende Menschen weltweit habe ihn „zu einem Vorbild der österreichischen Zivilgesellschaft gemacht“, hieß es im Außenministerium. Für Waldmann ist die Auszeichnung „das Sahnehäubchen auf einer schönen Torte“. Diese Ehrung will er aber vor allem als eine Auszeichnung für die Arbeit seines Vereins sehen – die Austrian Doctors.
Diese betreiben mit den Partnerorganisationen German und Swiss Doctors Krankenhäuser in Kenia, Sierra Leone, Bangladesch, Indien und auf den Philippinen – in Slums oder tief im Busch. Ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte behandeln dort Patienten und geben ihr Wissen in Schulungen auch an das lokale Personal weiter. Pro Jahr arbeiten etwa zehn Mediziner ehrenamtlich für die Austrian Doctors. Sie sollten mindestens sechs Wochen in den Einsatzgebieten bleiben und die Hälfte der Flugkosten übernehmen, viele würden aber die kompletten Kosten tragen, sagt Waldmann. „Wir würden gern mehr Ärzte schicken, mussten aber verschiedene Projekte aufgeben“, erklärt er. Wie etwa auf der philippinischen Insel Mindanao, wo die Arbeit aufgrund der Sicherheitslage zu gefährlich wurde. Gehalt bekommen die Ärzte nicht, sie führen am Einsatzort ein bescheidenes Leben.
Für Werner Waldmann begann alles Ende der 1980er-Jahre: Da verschlug es ihn nach seiner Pensionierung erstmals als ehrenamtlichen Arzt in die ärmsten Regionen dieser Welt. „Ich wollte mich selbst kennenlernen. Ich wollte wissen, wer ich bin“, erklärt er. Er schloss sich den heutigen German Doctors an. Immer wieder reiste er auf die Philippinen, nach Bangladesch und Kalkutta. 2008 gründete er mit dem Salzburger Internisten Christian Gruber die Austrian Doctors.
Das Engagement des Vereins geht über die ärztliche Versorgung hinaus: Im Fokus steht auch die Schulbildung. Dadurch soll jungen Menschen eine bessere Zukunft ermöglicht werden. In den Slums von
Kalkutta und Dhaka und auch in Kenia werden insgesamt fünf Schulen betrieben. Derzeit sammelt der Verein Geld für eine Slumschule in Bangladesch, in der rund 1500 junge Menschen Platz finden.
In all den Jahren seiner ehrenamtlichen Tätigkeit ging er immer wieder an die Grenzen seiner Kraft. Er hat aber vor allem eines gelernt: Gelassenheit – und dass er zwar ängstlich, aber mutig ist. „Dann bin ich geworden, was andere eine starke Persönlichkeit nennen.“
Und so spricht er auch ganz offen darüber, dass er im Gedankengut des Nationalsozialismus erzogen wurde und auf einer Eliteschule der Nazis war. „Im Jahr 1945 konnte ich das nicht einfach ablegen wie einen Anzug. Aber ich habe durch Nachdenken, Lernen und Erwachsenwerden erkannt: Die einzige wirkliche Sünde des Menschen ist, wenn er andere bösartig ausgrenzt.“Der Schritt, Böses zu denken, bis dahin, Böses zu tun, sei sehr klein. „Ich musste diesen Schritt nicht tun, aber ich habe ihn gesehen. Der überbordende Nationalismus ist eine wirkliche, wirkliche Gefahr.“
Werner Waldmann hat nun auch ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben, es heißt: „Das Glück helfen zu können – Schritte ins Ungedachte“, erschienen im Wolfgang Pfeifenberger Verlag.
SN-Info: www.SN.at/reservierung