Bakterien machen Plastik
Die Hälfte der zwei Millionen Tonnen Bioplastik, die derzeit pro Jahr weltweit produziert werden, ist biologisch nicht abbaubar. Forscher suchen daher nach umweltfreundlicheren Alternativen.
Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, doch zunehmend wird klar, dass die Menge, die in den vergangenen 70 Jahren in Umlauf geriet und noch gerät, zum großen Umweltproblem geworden ist. Bis zu 450 Jahre braucht Plastik, bis es sich zersetzt. An der Technischen Universität Berlin wird erforscht, wie man herkömmliche Kunststoffe ersetzen kann.
Synthetische Kunststoffe werden aus Erdöl, Kohle und Erdgas gewonnen. Am häufigsten ist der Ausgangsstoff Rohbenzin, das laut der Umwelt organisation Global 2000 in einem thermischen Spaltprozess in Ethylen, Propylen, Butylen und andere Kohlenwasserstoffverbindungen auseinandergebrochen und umgebaut wird. Anschließend werden diese durch chemische Reaktionen zu großen Molekülen, also zu einem Kunststoff zusammengefügt. Mit Zusatzstoffen erreicht man bestimmte Eigenschaften.
Zwei Wissenschafter der TU Berlin forschen daran, Kunststoffe mithilfe von Bakterien zu gewinnen, wie die Universität bekannt gab. Ein Ansatz, der Plastikplage Herr zu werden, ist PHA. Die drei Buchstaben stehen für Polyhydroxyalkanoate. Es sind Biopolymere und sie werden als Bioplastik bezeichnet, weil PHA ähnlich thermoplastisch verformbar ist wie Plastik aus fossilen Rohstoffen. „Aber das war es dann auch schon an Gemeinsamkeiten“,
sagt Sebastian L. Riedel, der zusammen mit Stefan Junne an der Herstellung von PHA forscht. Und auch Bioplastik ist nicht gleich Bioplastik. „Die Hälfte der zwei Millionen Tonnen Bioplastik, die derzeit pro Jahr weltweit produziert werden, ist biologisch nicht abbaubar und die andere Hälfte nur schwer“, sagt Riedel. PHA hingegen wird im Wasser und Boden vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut und ist für die Gesundheit mit keinem Risiko verbunden.
Die Substanz kann aus vielen Stoffen gewonnen werden – aus Mais, Zucker, Glycerin oder Palmöl. Sebastian L. Riedel und Stefan Junne jedoch wollen ein Ausgangsprodukt, das das Klima nicht belastet und kein Nahrungs- oder Futtermittel ist. Denn auch einen solchen Ausgangsstoff halten sie für problematisch. Auf der Suche nach einer Alternative entschieden sie sich für Abfallfette, die unter anderem in der Landwirtschaft (Tierkadaver), in der Gastronomie oder bei der Weiterverarbeitung von Lebensmittelabfällen anfallen.
Wie aber wird aus braunem Fett jenes PHA, das einmal wie feinstes weiß schimmerndes Seidenpapier sein oder die Konsistenz von Waschpulver oder Popcorn haben kann? „Das bewerkstelligen Bakterien namens Ralstonia eutropha oder Cupriavidus necator, auch als Knallgas-Bakterien bekannt. Die lassen wir für uns arbeiten“, sagt Sebastian Riedel. Die Forscher setzen die Bakterien in eine Mineralsalzlösung,
füttern sie mit Stickstoff, Phosphor, Sauerstoff und Kohlenstoff. Den Kohlenstoff geben sie in Form von Abfallfetten hinzu. Dann lassen sie sie wachsen. Nach einer bestimmten Zeit entziehen die Wissenschafter den Bakterien den Stickstoff. Auf diesen Mangel reagieren sie, indem sie den nun überschüssigen Kohlenstoff im Abfallfett als Energiereserve in ihren Zellen anlegen und in PHA umwandeln. „Würden wir nach einer gewissen Zeit Stickstoff wieder hinzugeben, würden die Bakterien erst einmal das intrazellulär gespeicherte PHA als Energiequelle nutzen. Das machen wir natürlich nicht, denn wir wollen das in den Zellen produzierte PHA ja gewinnen, also extrahieren wir es mit Lösungsmitteln, die teilweise nach dem Prozess wieder zurückgewonnen werden können“, erklärt Riedel.
Die Forscher arbeiten an alternativen Aufarbeitungsmethoden, die den Prozess langfristig kostengünstiger machen.
„Wir lassen Knallgas-Bakterien für uns arbeiten.“ Sebastian Riedel, TU Berlin