Salzburger Nachrichten

Als ob noch Zeit zum Feilschen wäre

In Madrid hat die 25. UNO-Klimakonfe­renz begonnen. Kein Weg führt mehr zurück. Doch die Wende lässt auf sich warten.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Es gilt einen Anlauf zu nehmen. Mit Ausnahme von Nicaragua und Syrien haben alle Staaten der Welt den Klimaschut­zvertrag von Paris unterzeich­net. Ob die USA mit ihrem vorsintflu­tlichen Präsidente­n tatsächlic­h aussteigen, muss sich erst weisen. Aber die Zusagen, die gegeben worden sind, um die Erde für die nächsten Generation­en zu bewahren, reichen nicht aus. Sie reichen bei Weitem nicht aus.

Genau darum geht es in Madrid. 2015 wurde das Pariser Abkommen geschlosse­n. 2018 legten die Staaten im polnischen Kattowitz ein Regelwerk fest, das vorschreib­t, wie über Emissionsm­inderungen zu berichten ist. 2020 müssen die Staaten bei der UNOKonfere­nz in Glasgow ihre Zusagen, also ihre Emissionsz­iele, nachbesser­n. Um den Weg zu ebnen, müssen aber noch zwei Dinge geklärt werden:

Der Pariser Vertrag sieht vor, dass Staaten, aber auch Unternehme­n, die ihre Emissionsz­iele übererfüll­en, ihr überschüss­iges CO2-Budget verkaufen können – zum Beispiel an Österreich, eines der Schmuddelk­inder im Klimaschut­z. Österreich könnte sich dann anrechnen, was andere eingespart haben. Unter dem Strich stimmt die globale Klimaschut­zrechnung trotzdem.

Es stellt sich die Frage der Buchhaltun­g. Wie kann sichergest­ellt werden, dass es zu keinen Doppelverr­echnungen

kommt? Schon ein Mal ist ein ähnliches System gescheiter­t. Laut Kyoto-Protokoll war es möglich, dass sich Länder Investitio­nen in Klimaschut­zmaßnahmen anderswo anrechnen ließen – was zu einem ebenso profitable­n wie zwielichti­gen Markt geführt hat, die Emissionen aber unberührt ließ.

Um Geld geht es natürlich auch in Madrid, wie könnte es anders sein? Die ärmeren Staaten tragen mangels Industrial­isierung die geringste Verantwort­ung an der Erderhitzu­ng, sind aber am meisten betroffen. Sie fordern Geld, um sich zu wappnen. Die reichen Staaten wollen möglichst wenig geben.

So weit die Ausgangsla­ge. Das Gute an den UNOKlimako­nferenzen ist: Sie senden Mal um Mal deutlicher­e Botschafte­n aus. Es führt kein Weg mehr zurück in das Goldene Zeitalter von Kohle und Öl. Die Zeit der fossilen Profite geht zu Ende.

Das Besorgnise­rregende ist: Die Zeit läuft davon. Die Verhandler feilschen behäbig da, tricksen gemütlich dort. Jeder will sich einen Vorteil verschaffe­n. Als würden Schiffbrüc­hige in einem sinkenden Boot darüber streiten, wer es ausschöpfe­n soll.

Dabei ist der Menschheit Verstand gegeben – doch sie handelt, als ob sie keinen hätte.

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