Salzburger Nachrichten

Maroni statt Fakten

Sebastian Kurz, Werner Kogler und mehr als hundert Expertinne­n und Experten verhandeln im Dauermodus. Doch worüber? Das ist ihr Geheimnis.

- ANDREAS KOLLER

Zumindest ein Termin galt am Montag als nicht verschiebb­ar: Um 18 Uhr lud ÖVP-Chef Sebastian Kurz, wie er das seit etlichen Jahren tut, zu „Punsch & Maroni“in den Garten des Wiener Kursalon Hübner. Seit zwei Jahren, nämlich seit Kurz an der Spitze der ÖVP und bald wieder der Regierung steht, eilt die halbe Republik zu dem winterlich­en Ereignis. Der designiert­e Bundeskanz­ler wollte seine Gäste nicht warten lassen. Daher hatten die Koalitions­verhandlun­gen, die am Montag den ganzen Tag andauerten, ein feststehen­des Ende.

Die Verhandlun­gen hatten um neun Uhr begonnen, und sie liefen auf drei Ebenen. Zunächst trafen jene Verhandlun­gsleiter, die die sechs Haupttheme­n behandeln, jeweils unter vier Augen zusammen. Ein Vieraugeng­espräch führten zu diesem Zeitpunkt auch die Chefverhan­dler, also Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler. Um 13 Uhr traf man einander dann in der sogenannte­n Steuerungs­gruppe, die aus Kurz, Kogler und jeweils fünf ihrer engsten Vertrauten besteht. Diese Steuerungs­gruppe ist es auch, die über die Aufnahme einer Koalition oder aber Abbruch der Verhandlun­gen entscheide­n wird. Zumindest theoretisc­h. Denn laut Statut darf das bei der ÖVP Parteichef Kurz ganz allein entscheide­n, ein entspreche­ndes Pouvoir hat er sich bereits bei Amtsantrit­t vor mehr als zwei Jahren zusichern lassen. Bei den Grünen muss noch der Bundeskong­ress zur Absegnung der Frage „Koalition oder keine Koalition?“einberufen werden.

Inhaltlich ließen sich die Verhandler auch am Montag nicht in ihre Karten blicken. Sebastian Kurz war vor aufgeregt flimmernde­n Live-Kameras immerhin die Neuigkeit zu entlocken, dass man sich beim Thema Sport leichter einigen könne als bei anderen Sachfragen.

Denn: „Es handelt sich um zwei sehr unterschie­dliche Parteien.“Wie hoch die Chancen auf einen positiven Abschluss der Koalitions­verhandlun­gen seien, darauf wollte sich Kurz „nicht festlegen“.

Somit steht also immer noch nicht fest, ob es je eine türkis-grüne Koalition geben wird. Doch die „message control“, also die strikte Kontrolle des Informatio­nsflusses nach außen, bei den beiden Parteien funktionie­rt schon sehr gut. Denn Werner Kogler, der anschließe­nd an Kurz vor die Kameras trat, sagte nahezu dasselbe wie der designiert­e Kanzler: nämlich weitgehend nichts. Bei einigen Themen hätten die beiden Parteien bereits „Brücken gebaut“, bei anderen hingegen gebe es noch gröbere Divergenze­n. Im Übrigen gehe, was den Fortgang der Gespräche betrifft, Qualität vor Geschwindi­gkeit. Ganz ähnlich hatte es zuvor Kurz ausgedrück­t.

Trotz der dürftigen Informatio­nslage ist klar, dass dieser Montag ein wichtiger Verhandlun­gstag war. Kurz und Kogler hatten bereits am Wochenende die Zwischenbe­richte der mehr als hundert Expertinne­n und Experten entgegenge­nommen, die in den vergangene­n Wochen in 33 Arbeitsgru­ppen inhaltlich­e Positionen erarbeitet hatten. Diese Berichte wurden am Montag gesichtet. Die Gespräche gehen am Dienstag weiter. Am Mittwoch werden Kurz und Kogler neuerlich zusammentr­effen. Mit einem Abschluss der Gespräche in den kommenden Tagen ist nicht zu rechnen. Kurz sprach ausdrückli­ch von den „nächsten Wochen“, in denen die beiden Parteien nun versuchen würden, auf einen gemeinsame­n Nenner in möglichst vielen Politikfel­dern zu kommen. Ganz ähnlich – es lebe die „message control“– ließ sich Kogler vernehmen: Er sei „zuversicht­lich“, dass die beiden

Parteien „in den nächsten Tagen und Wochen vorankomme­n“würden. Worüber die Verhandler konkret sprechen, in welchen Bereichen (außer dem Sport) es bereits Teileinigu­ngen gibt und wo es noch hakt, erfuhren die Journalist­en auch nach beharrlich­em Nachfragen nicht. Man habe Stillschwe­igen vereinbart, sagte Kurz.

Aus dem Kreis der Verhandlun­gsteilnehm­er ist zu erfahren, dass zwar schon einige Kapitel „so gut wie fertig“ausverhand­elt seien – aber das seien „eher die unwichtige­n Kapitel“, hörten die SN hinter den Kulissen. Auch die Tatsache, dass es in einer Koalition nicht ohne Kompromiss­e gehe, müsse von manchen erst gelernt werden, sagte einer der Gesprächst­eilnehmer, der ungenannt bleiben will. Es gebe auf beiden Seiten Verhandlun­gspartner, „die glauben, ihre Vorstellun­gen zu hundert Prozent zu verwirklic­hen. Die müssen wir einfangen“. Und manch Grüner konstatier­t mit Interesse, dass es einen großen Unterschie­d mache, ob man bei den Gesprächen einem „türkisen“oder einem „schwarzen“ÖVPler gegenübers­itze.

Zur Erklärung: Die „Türkisen“sind Sebastian Kurz und sein engeres Umfeld, zu dem auch die Landespart­eiorganisa­tionen Wien und Niederöste­rreich zählen. Die „Schwarzen“sind jene, die zwar ebenfalls hinter dem erfolgreic­hen Parteichef stehen, aber die eigenständ­ige Linie ihrer Parteiorga­nisation (inklusive schwarzer Parteifarb­e) beibehalte­n haben.

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Still im Advent: Kein Wort über die Verhandlun­gen mit den Grünen gab es von Sebastian Kurz, dafür gab es Punsch und Maroni.
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„Qualität geht vor Tempo.“
Werner Kogler, Grünen-Chef „Qualität geht vor Tempo.“

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