Nach dem Votum der SPD-Mitglieder brodelt es
Dem neuen Führungsduo bläst nach der überraschenden Kür kalter Wind ins Gesicht.
BERLIN. Von Aufbruchstimmung ist die SPD anderthalb Tage nach Präsentation des neuen Führungsduos weit entfernt. Das Medienecho auf den Mitgliederentscheid für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist desaströs. In der Partei beginnt es prompt zu brodeln. Die Parteilinke wittert Morgenluft und verlangt ein milliardenschweres Investitionsprogramm, das über neue Schulden finanziert werden soll. Das wäre das Ende von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der die schwarze Null immer verteidigt hat.
Auf der anderen Seite machen die Befürworter der Großen Koalition (GroKo) mit CDU und CSU in der Bundestagsfraktion darauf aufmerksam, dass im Falle eines Ausstiegs unter anderem auch das Prestigeprojekt der Sozialdemokraten, die Grundrente, scheitern würde. Hier hat sich nach langem Ringen die SPD durchgesetzt und vor allem erreicht, dass es keine Überprüfung der Vermögensverhältnisse geben soll. Noch ist das Gesetz im Bundestag allerdings nicht verabschiedet. Ohne die SPD könnte die Union das Gesetz auf die lange Bank schieben.
Außerdem verweisen die GroKoBefürworter darauf, dass bei Nachverhandlungen des Regierungsübereinkommens,
wie es von der neuen Führungsspitze in Aussicht gestellt worden war, auch die Union neue Wünsche äußern werde.
Die Forderung nach Nachverhandlungen ist nicht nur bei der Union auf Ablehnung gestoßen, wenn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer die Möglichkeit von Verhandlungen zu Einzelpunkten offenließen. Auch in der SPD stieß das Ansinnen auf Widerspruch. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil würde es bevorzugen, den bestehenden Vertrag zu realisieren: „Dazu brauche ich keine Nachverhandlungen, sondern Handlungen.“Gleichzeitig warnte er wie auch einige Bundestagsabgeordnete vor einem Bruch der Koalition. Der würde auf wenig Verständnis der Bürger stoßen.
Das Duo Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans äußert sich mit jeder Minute vorsichtiger. Auf ein GroKo-Aus wollen sich die beiden nicht festlegen. Auch hat WalterBorjans erkannt, dass nicht alles falsch ist, was die Regierung macht: „Auf das, was wir erreicht haben, können wir stolz sein.“Dazu gehörten neben der Grundrente auch die 5,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Kindertagesstätten.
Als Gewinner gilt Juso-Chef Kevin Kühnert, der sich für Esken/Walter-Borjans eingesetzt hat.