Im Schwarm gegen den Populismus
Die Protestbewegung der „Sardinen“findet immer mehr Anhänger in Italien. Ihr Gegner ist der Ex-Innenminister.
Die Sardinen spielen in der italienischen Küche eine untergeordnete Rolle. Dafür treten sie nun einen gesellschaftlichen Siegeszug an: Die Sardinen-Bewegung, die in den vergangenen Wochen im Internet entstand und sich nun wie ein Schwarm über das Land verbreitet, versteht sich nicht als politischer Akteur. Es geht ihnen eher um eine Atmosphäre, die sich in den vergangenen Jahren herausgebildet hat und der sie sich mit Zivilcourage entgegenstellen wollen. Auf die Straße gehen, ganz eng beieinander stehen gegen die Menschenfeindlichkeit, gegen Hass, Intoleranz und Rassismus. Wie die Ölsardinen in der Dose. Das ist ihr Programm.
Auch am Wochenende sind in Florenz Zehntausende Menschen gegen die rechtsradikale Lega auf die Straße gegangen. Studenten, junge Berufstätige und Familien mit Kindern beteiligten sich am Samstag an dem Demonstrationszug. Zahlreiche Protestteilnehmer stimmten in das Partisanenlied „Bella Ciao“ein.
Im Januar stehen Regionalwahlen in der Emilia-Romagna an. ExInnenminister Matteo Salvini ist auf Wahlkampftour. Seine rechtspopulistische Lega liegt laut Umfragen landesweit immer noch bei knapp 35 Prozent. Die Lega-Kandidatin hat gute Aussichten darauf, Regionalpräsidentin zu werden, ausgerechnet in der früheren Hochburg der Linken. Das war der Auslöser
für die „Fisch-Revolution“, wie die Gründer schreiben.
Die Organisatoren haben offenbar im ganzen Land einen Nerv getroffen. Am Sonntag kamen die Sardinen in Mailand zusammen, in Florenz waren sie auch schon. Mitte Dezember haben sie sich in Rom verabredet, später auch in Verona. In allen Städten gibt es Menschen, die wohl ein Ventil gesucht haben, um ihren Protest im Hinblick auf die Entwicklung kundzutun: Immer freimütiger wird in der Öffentlichkeit gegen Ausländer, Juden, Homosexuelle, aber auch gegen Frauen gehetzt. Der Missstand ist so offensichtlich, dass im italienischen Senat eine Sonderkommission gebildet wurde, die Phänomene wie „Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus
und Aufstachelung zu Hass und Gewalt“kontrastieren soll. Vor allem in sozialen Netzwerken kursieren Hassbotschaften, an denen auch Politiker ihren Anteil haben. Salvini und seine Anti-Immigrations-Kampagnen sind ein Beispiel.
Als der Ex-Innenminister vor zwei Wochen im Wahlkampf in Bologna auftrat, starteten vier junge Bologneser auf Facebook ihre Aktion „6000 Sardinen gegen Salvini“. Der Veranstaltungssaal der Lega fasste 5600 Personen. Auf der Piazza Maggiore in Bologna finden 6000 Personen Platz, wenn sie eng zusammenstehen, fanden Mattia Santori und seine Freunde heraus. Wie die Ölsardinen. „Uns gefiel die Idee, dass viele Personen, die sich im Internet und in der Gesellschaft vielleicht einsam fühlen, ganz eng zusammenstehen“, sagte Santori.
Das Treffen wurde ein Erfolg. Doppelt so viele Menschen wie erwartet versammelten sich. Die Teilnehmer brachten selbst gebastelte Ölsardinen aus Papier mit. Den Veranstaltern ist es wichtig, nicht in politisches Fahrwasser zu geraten. Fahnen, Parteisymbole, Beschimpfungen seien tabu. Dass Sardinen im Meer eine geringe Lebenserwartung haben, besorgt die Gründer nicht. Die Kraft einer einzelnen Sardine sei zwar gleich null. Kraft habe dieser Fisch aber im Schwarm.