Aber sagen Sie bitte nicht mehr Nannerl zu ihr
Als ewige Tochter und Schwester wird sie oft gesehen. Nun bekommt Maria Anna Mozart als Künstlerin neue Aufmerksamkeit.
SALZBURG. Der Kosename hat etwas liebevoll Familiäres. Und er hat sich in der Musikgeschichte eingebrannt. Als Nannerl ist die Tochter der Familie Mozart bekannt. Ihr Bruder wurde in den Familienbriefen nicht weniger liebevoll als Wolfgangerl tituliert. Aus ihm allerdings wurde später der berühmte Komponist Wolfgang Amadé Mozart. Seine Schwester Maria Anna blieb für die Nachwelt stets „das Nannerl“. Die Verniedlichung, die sich in vielen Biografien an diesen Namen geknüpft hat, sei bei einem Blick auf ihr künstlerisches Leben aber nicht gerechtfertigt, sagt Eva Neumayr. „Sie war eine führende Pianistin ihrer Zeit. Und sie hat als Pädagogin das Salzburger Musikleben sehr lange geprägt.“In historischen Quellen seien immer wieder Belege dafür zu finden, wie sehr sie als Musikerin respektiert wurde.
Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwärmte etwa ein Zeitgenosse,
sie gehöre „zu den vorzüglichen musikalischen Talenten, die Salzburg besitzt“. 1801 war Maria Anna als Witwe von Johann Baptist Berchtold zu Sonnenburg aus St. Gilgen nach Salzburg zurückgekehrt. Als Pianistin habe sie das Salzburger Konzertleben auch in ihren späten Lebensjahren aktiv mitgestaltet, sagt Neumayr. In der Musikgeschichte hingegen wurde ihr oft ein unscheinbares Leben attestiert: erst als Tochter und Haushaltsbeistand ihres Vaters, dann als Gemahlin und Mutter – und über allem als Frau des 18. Jahrhunderts, die den Zeitumständen entsprechend als Komponistin ohnehin kaum Chancen gehabt hätte.
Wenn man aber die Perspektive wechsle „und nicht fragt, was sie nicht werden konnte, sondern was sie wurde, kommt man drauf: Sie hat ganz schön viel erreicht.“
Bei der Bewertung der Quellen zu ihrem Leben habe es immer wieder auch Missverständnisse gegeben. Wenn Maria Anna etwa in ihren Tagebüchern notierte, dass sie vormittags und nachmittags Besuche in Salzburg absolviert habe, sei dies bisweilen für das Gesellschaftsprogramm einer Salzburgerin mit viel Tagesfreizeit gehalten worden: „Tatsächlich hat sie diese Besuche großteils absolviert, weil sie als gefragte Pädagogin Klavierunterricht gab.“In den Erinnerungen eines Zeitgenossen nach ihrem Tod 1829 kann man lesen: „noch heut zu Tag kennet man der Nannette Mozart Schülerinnen aus allen anderen heraus, an Nettigkeit, Präzision und wahrer Aplicatur im Spiell“.
Der 190. Todestag gibt heuer eine Gelegenheit, sich ein anderes Bild von Maria Anna Mozart zu machen.
In einem Buch, das Neumayr herausgegeben hat, sind Erkenntnisse mehrerer Symposien zusammengefasst: Um ihre Meriten als Lehrerin und Virtuosin geht es darin ebenso wie um ihr Interesse an den Vorlesungen zur Experimentalphysik, die sie in Salzburg besuchte.
Die Veröffentlichung fällt zugleich mit dem Jubiläum der MariaAnna-Mozart-Gesellschaft zusammen, die Neumayr vor zehn Jahren mitbegründet hat. Damals hieß die Homepage der Gesellschaft wegen des allgemeinen Wiedererkennungswertes noch www.nannerl.net. Heute lautet die Adresse www.maria-anna-mozart.at. Und auch in der Wissenschaft sollte sich der volle Name etablieren, der einer eigenständigen Persönlichkeit zustehe, resümiert Neumayr.
Dass es Zeit ist, sich ein anderes Bild zu machen, geht aber auch aus einem Buchbeitrag von Christoph Großpietsch hervor: Er wies nach, dass nicht auf allen Bildern, die bislang als gesicherte Porträts von Mozarts Schwester galten, tatsächlich Maria Anna Mozart abgebildet ist.
„Sie war als Künstlerin geschätzt.“
Eva Neumayr, Musikwissenschafterin
Präsentation: „Maria Anna Mozart, Facetten einer Künstlerin“(Hollitzer Verlag), Salzburg, 4. 12., 18 Uhr, Kardinal-Schwarzenberg-Haus. Anmeldung: archiv@archiv.kirchen.net