„Achmed“ist weg
Er kam als 15-jähriger, elternloser und unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan nach Österreich. Durch einen meiner Enkel, der seinen Zivildienst im Heim von jungen Flüchtlingen machte, lernte ich ihn kennen. Er war ruhig, brav, lernbegierig und schaffte schon bald ein positives Zeugnis in der Vorbereitungsklasse der HTBLA.
Mit 18 Jahren musste er als Volljähriger das Heim verlassen. Mit einem Freund zusammen fand er eine kleine Wohnung, eine Lehrstelle als Koch und absolvierte erfolgreich sein erstes Jahr in der Berufsschule. Ab dem Zeitpunkt seiner Lehre zahlte er seine Abgaben und damit in unser Sozialsystem ein, finanzierte damit wahrscheinlich auch meine Pension.
Fast vier Jahre wollte er nur das eine: als Flüchtling hier bei uns Asyl bekommen. Er wünschte sich, nicht mehr Angst vor der Abschiebung haben zu müssen, um endlich ein normales Leben führen zu dürfen.
Jede Mutter, jeder Vater weiß, welche Probleme, Sorgen, Ängste ein Jugendlicher hat, auch wenn er in normalen, weitgehend sicheren Familienverhältnissen aufwächst, und zwar bei ausreichend Essen und Trinken und in einer warmen Wohnung. All das hatte mein junger Freund nicht. Trotzdem hat er hoffnungsvoll durchgehalten und gekämpft.
Vorige Woche bekam er den endgültigen, negativen Asylbescheid. Seither wissen meine Familie, meine, seine Freunde, sein Chef und auch ich nichts mehr von ihm. Wie geht es ihm? Lebt er überhaupt noch? Und so frage ich mich: 1. Muss das so sein, dass gut integrierte, arbeitswillige jugendliche Flüchtlinge, die noch dazu in Mangelberufen arbeiten, abgeschoben werden? 2. Sind wir Österreicherinnen und Österreicher, die das Glück hatten, hier geboren zu sein, durch die Flüchtlinge ärmer geworden? 3. Wie viele von uns dürfen und können hier besser leben als Achmed, auch wenn sie nicht arbeiten (können)? 4. Warum haben Flüchtlinge wie Achmed keine entsprechende Lobby, wie z. B. derzeit die gute Unterstützung der durch „Greta“ausgelösten Solidarität?
Mir bleiben nur diese Fragen, Antworten habe ich nicht. Was bleibt, ist meine Trauer, mein Zorn, mein Unverständnis, warum das so sein muss. Und die Frage: Hätte ich, hätten wir alle und der Staat in solchen Fällen nicht anders handeln können, anders handeln müssen? Mag. Vera Schmalwieser