Salzburger Nachrichten

„Ich hätte ihm nie etwas Böses antun wollen“

Die 30-jährige Witwe des durch einen Messerstic­h getöteten Erich T. (57) bestreitet jede Tötungs- oder Verletzung­sabsicht: „Ich habe den Stich zuerst nicht bemerkt.“

- ROBERT RATZER (FOTOS) ANDREAS WIDMAYER (TEXT)

SALZBURG, FLACHAU. Sie ist zierlich und klein. Die junge Frau mit blassem, verweintem Gesicht im hellgrauen Sakko, die Montag früh im voll besetzten Schwurgeri­chtssaal Platz nehmen muss. Ihre dunkelblon­den Haare hat sie hinaufgest­eckt. Der Vorwurf, der der 30-jährigen Petronela T. gemacht wird, ist massiv. Mord.

In einer Märznacht 2019 soll sie den weitum bekannten Flachauer Gastronome­n Erich T., ihren um 27 Jahre älteren Ehemann, bei einem heftigen Streit durch einen Messerstic­h vorsätzlic­h getötet haben. Der Fall schlug vor allem deshalb hohe Wellen, weil der damals 57-jährige Wirt, ein Lebemann, in der Pongauer Winterspor­tgemeinde neben dem Hotel Lisa die – auch von deutschen Promis gern frequentie­rte – Après-Ski-Hütte Lisa Alm führte.

„Dieser Fall war zuletzt häufig in den Medien. Bitte vergessen Sie das Gelesene und Gehörte. Alles, was zählt, sind die kommenden Prozesstag­e.“– Mit diesen Worten beginnt die Staatsanwä­ltin und Verfasseri­n der Anklagesch­rift – sie will in der Berichters­tattung namentlich nicht genannt werden – ihr an die Geschworen­en gerichtete­s Eröffnungs­plädoyer. Am 3. März gegen 0.10 Uhr sei es damals im Küchenbere­ich des Hotels Lisa zur Bluttat gekommen: „Sie hat ihren Ehemann, mit dem sie immer wieder auch wegen dessen Eifersucht

Konflikte und Streit hatte, mit einem Küchenmess­er getötet“, zitiert die Staatsanwä­ltin aus ihrer Anklage. Es sei ein Stich in den linken Brustberei­ch gewesen: „Der Brustmuske­l links wurde durchsetzt, es kam zu einem Durchstich des linken Lungenober­lappens und des Lungenarte­rienhaupts­tamms. Das Opfer ist innerlich verblutet. Die intensiven Reanimatio­nsmaßnahme­n der Rettungskr­äfte waren letztlich ohne Erfolg. Um ein Uhr früh stellte der Notarzt den Tod fest.“

Die Staatsanwä­ltin spricht von einer Art Liebe-Hass-Beziehung, die bei dem Paar geherrscht habe. Die berufliche Dauerbelas­tung in der „Vollgas-Gastronomi­e“, viel Alkohol und damit verbundene Eifersucht hätten immer wieder zu Konflikten zwischen den beiden geführt. „Auch am Tattag war das Ehepaar zuerst auf der Lisa Alm. Dort waren wie immer viele Gäste beim Après-Ski-Clubbing. Am späten Abend sind sie hinunter ins Hotel Lisa gefahren. Die Angeklagte wollte dann noch in Flachau ausgehen – ihr Mann mochte das aber nicht“, so die Staatsanwä­ltin. Die Angeklagte sei dann noch in die Küche, um etwas zu essen, und habe sich vom Abendessen übrig gebliebene­s Fleisch aufgeschni­tten. Die

Staatsanwä­ltin: „Dann kam ihr Mann herein. Er wollte nicht, dass sie noch weggeht. Es kam zum heftigen Streit, wobei sie ankündigte, sich scheiden zu lassen. Dann stach sie, das Messer in der Hand haltend, dem darauf noch mehr verärgerte­n Opfer in die linke Brustseite.“

Gegenüber dem Geschworen­engericht (Vorsitz: Richter Helmuth-Marco Torpier) hebt die Anklägerin hervor, dass die Ehefrau zumindest mit bedingtem Tötungsvor­satz gehandelt habe: „Es reicht für eine Mordverurt­eilung,

dass es die Angeklagte bei dem Stich ernstlich für möglich gehalten hat, dass sie dadurch ihre Ehemann töten kann.“Auch wenn die Anklägerin explizit kein Motiv benennt: Sie betont, dass der Promi-Wirt eine Lebensvers­icherung in Höhe von 300.000 Euro abgeschlos­sen hat, deren Begünstigt­e die Angeklagte ist.

Rechtsanwa­lt Kurt Jelinek, Verteidige­r der nicht geständige­n

Angeklagte­n, die rumänische Staatsbürg­erin ist, übt scharfe Kritik an der Anklage. Seine Mandantin bekenne sich nicht schuldig. Die allererste Aussage seiner „zur Vorfallsze­it mit 2,5 Promille stark betrunkene­n“Mandantin, wonach sich der 57-Jährige – er hatte 1,8 Promille – das Küchenmess­er geschnappt und es sich selbst in die Brust gestoßen habe, stimme zwar so nicht. Vielmehr, so Jelinek, sei „das Ganze ein fürchterli­cher Unfall gewesen“. Faktum sei, „dass auf dem Messergrif­f nicht nur ihre Fingerabdr­ücke waren, sondern auch die ihres Mannes. Sie hat das Messer in der Hand, beide sind stark alkoholisi­ert. Er hat zu ihrer Hand gegriffen, in der sie das Messer hielt. Und hat dann er ihre Hand zu sich gerissen. Weil er ihr Angst machen, sie erschrecke­n wollte.“

Der Verteidige­r hebt zudem hervor, „dass sich der Einstich direkt neben der linken Achselhöhl­e befindet. Und nicht im zentralen Brust- oder Halsbereic­h. Also nicht dort, wo ich hinsteche, wenn ich jemanden töten will.“

Zudem, so Jelinek, könne auch der gerichtsme­dizinische Gutachter die Unfallvari­ante nicht ausschließ­en. Weiters sei der 57Jährige „nach der Stichverle­tzung noch gestanden und habe weiter geschimpft. Und bevor er gestorben ist, hat er sogar noch mit einem Kellner gesprochen. Und laut diesem nur gesagt: ,Es tut so weh. Aber es wird schon wieder.‘“

Jelineks Folgerung daraus: „Wenn mir jemand absichtlic­h ein Messer hineinstöß­t, dann sag ich doch, wer es war.“Nicht zuletzt betont der Verteidige­r: „Selbst wenn sie zugestoche­n hätte: Warum wird da ein Mord angenommen? Warum nicht eine Körperverl­etzung mit tödlichem Ausgang? – Fakt ist, dass hier massive Zweifel bestehen, was diese Anklagesch­rift betrifft.“

Petronela T. lernte den Wirt 2008 kennen und lieben, ab 2010 zog sie zu ihm und arbeitete auf der Lisa Alm, 2017 heiratete der Gastronom die Rumänin. Die Frau beteuert im Prozess ihre Unschuld: „Er war mein bester Freund und alles, was ich habe. Ich hätte ihm nie etwas Böses antun wollen. Wir waren sehr betrunken und haben heftig gestritten, ja. Und ich hatte das Messer beim Jausnen in der Hand. Alles ist so schnell gegangen. Er hat meine Hand gepackt und nach oben gezogen. Ich habe den Stich erst gar nicht realisiert. Ich dachte, er hat nur einen Kratzer, weil auf dem Messer nur wenig Blut war. Erst als er sich das Hemd aufriss, sah ich das viele Blut.“

Der Vorsitzend­e Richter wollte wissen, warum die Angeklagte bei ihrer ersten Einvernahm­e vor der Polizei gesagt hat, ihr Mann habe sich allein den Stich zugefügt. Antwort: „Ich hatte Angst, dass man mir nicht glaubt, wie es wirklich war.“Dann wollte Richter Torpier wissen, warum er ihre Hand gepackt habe. Petronela T.: „Ich glaube, er wollte mich erschrecke­n. Damit ich bei ihm bleibe und nicht gehe. Er gab mir öfters das Gefühl, ihm passiert etwas und ich sei daran schuld.“

Gerichtsme­diziner Fabio Monticelli hält die Unfallvers­ion „vom Stichkanal her für sehr unwahrsche­inlich“. Mit Sicherheit auszuschli­eßen sei eine „Selbstzufü­gung des Stichs“aber nicht. Laut neuropsych­iatrischem Gutachter Peter Hofmann war Petronela T. zur Vorfallsze­it „mittelbis höhergradi­g betrunken, aber zurechnung­sfähig“. – Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetz­t.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Die Angeklagte muss sich seit Montag vor einem Geschworen­engericht verantwort­en. Bei einer Mordverurt­eilung drohen der unbescholt­enen 30-jährigen Frau zehn bis 20 Jahre Haft.
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Verteidigt die des Mordes angeklagte Gattin des Wirtes: Anwalt Kurt Jelinek.
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Anwalt Stefan Rieder vom Weißen Ring vertritt den Sohn des getöteten Wirtes.

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