„Ich hätte ihm nie etwas Böses antun wollen“
Die 30-jährige Witwe des durch einen Messerstich getöteten Erich T. (57) bestreitet jede Tötungs- oder Verletzungsabsicht: „Ich habe den Stich zuerst nicht bemerkt.“
SALZBURG, FLACHAU. Sie ist zierlich und klein. Die junge Frau mit blassem, verweintem Gesicht im hellgrauen Sakko, die Montag früh im voll besetzten Schwurgerichtssaal Platz nehmen muss. Ihre dunkelblonden Haare hat sie hinaufgesteckt. Der Vorwurf, der der 30-jährigen Petronela T. gemacht wird, ist massiv. Mord.
In einer Märznacht 2019 soll sie den weitum bekannten Flachauer Gastronomen Erich T., ihren um 27 Jahre älteren Ehemann, bei einem heftigen Streit durch einen Messerstich vorsätzlich getötet haben. Der Fall schlug vor allem deshalb hohe Wellen, weil der damals 57-jährige Wirt, ein Lebemann, in der Pongauer Wintersportgemeinde neben dem Hotel Lisa die – auch von deutschen Promis gern frequentierte – Après-Ski-Hütte Lisa Alm führte.
„Dieser Fall war zuletzt häufig in den Medien. Bitte vergessen Sie das Gelesene und Gehörte. Alles, was zählt, sind die kommenden Prozesstage.“– Mit diesen Worten beginnt die Staatsanwältin und Verfasserin der Anklageschrift – sie will in der Berichterstattung namentlich nicht genannt werden – ihr an die Geschworenen gerichtetes Eröffnungsplädoyer. Am 3. März gegen 0.10 Uhr sei es damals im Küchenbereich des Hotels Lisa zur Bluttat gekommen: „Sie hat ihren Ehemann, mit dem sie immer wieder auch wegen dessen Eifersucht
Konflikte und Streit hatte, mit einem Küchenmesser getötet“, zitiert die Staatsanwältin aus ihrer Anklage. Es sei ein Stich in den linken Brustbereich gewesen: „Der Brustmuskel links wurde durchsetzt, es kam zu einem Durchstich des linken Lungenoberlappens und des Lungenarterienhauptstamms. Das Opfer ist innerlich verblutet. Die intensiven Reanimationsmaßnahmen der Rettungskräfte waren letztlich ohne Erfolg. Um ein Uhr früh stellte der Notarzt den Tod fest.“
Die Staatsanwältin spricht von einer Art Liebe-Hass-Beziehung, die bei dem Paar geherrscht habe. Die berufliche Dauerbelastung in der „Vollgas-Gastronomie“, viel Alkohol und damit verbundene Eifersucht hätten immer wieder zu Konflikten zwischen den beiden geführt. „Auch am Tattag war das Ehepaar zuerst auf der Lisa Alm. Dort waren wie immer viele Gäste beim Après-Ski-Clubbing. Am späten Abend sind sie hinunter ins Hotel Lisa gefahren. Die Angeklagte wollte dann noch in Flachau ausgehen – ihr Mann mochte das aber nicht“, so die Staatsanwältin. Die Angeklagte sei dann noch in die Küche, um etwas zu essen, und habe sich vom Abendessen übrig gebliebenes Fleisch aufgeschnitten. Die
Staatsanwältin: „Dann kam ihr Mann herein. Er wollte nicht, dass sie noch weggeht. Es kam zum heftigen Streit, wobei sie ankündigte, sich scheiden zu lassen. Dann stach sie, das Messer in der Hand haltend, dem darauf noch mehr verärgerten Opfer in die linke Brustseite.“
Gegenüber dem Geschworenengericht (Vorsitz: Richter Helmuth-Marco Torpier) hebt die Anklägerin hervor, dass die Ehefrau zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe: „Es reicht für eine Mordverurteilung,
dass es die Angeklagte bei dem Stich ernstlich für möglich gehalten hat, dass sie dadurch ihre Ehemann töten kann.“Auch wenn die Anklägerin explizit kein Motiv benennt: Sie betont, dass der Promi-Wirt eine Lebensversicherung in Höhe von 300.000 Euro abgeschlossen hat, deren Begünstigte die Angeklagte ist.
Rechtsanwalt Kurt Jelinek, Verteidiger der nicht geständigen
Angeklagten, die rumänische Staatsbürgerin ist, übt scharfe Kritik an der Anklage. Seine Mandantin bekenne sich nicht schuldig. Die allererste Aussage seiner „zur Vorfallszeit mit 2,5 Promille stark betrunkenen“Mandantin, wonach sich der 57-Jährige – er hatte 1,8 Promille – das Küchenmesser geschnappt und es sich selbst in die Brust gestoßen habe, stimme zwar so nicht. Vielmehr, so Jelinek, sei „das Ganze ein fürchterlicher Unfall gewesen“. Faktum sei, „dass auf dem Messergriff nicht nur ihre Fingerabdrücke waren, sondern auch die ihres Mannes. Sie hat das Messer in der Hand, beide sind stark alkoholisiert. Er hat zu ihrer Hand gegriffen, in der sie das Messer hielt. Und hat dann er ihre Hand zu sich gerissen. Weil er ihr Angst machen, sie erschrecken wollte.“
Der Verteidiger hebt zudem hervor, „dass sich der Einstich direkt neben der linken Achselhöhle befindet. Und nicht im zentralen Brust- oder Halsbereich. Also nicht dort, wo ich hinsteche, wenn ich jemanden töten will.“
Zudem, so Jelinek, könne auch der gerichtsmedizinische Gutachter die Unfallvariante nicht ausschließen. Weiters sei der 57Jährige „nach der Stichverletzung noch gestanden und habe weiter geschimpft. Und bevor er gestorben ist, hat er sogar noch mit einem Kellner gesprochen. Und laut diesem nur gesagt: ,Es tut so weh. Aber es wird schon wieder.‘“
Jelineks Folgerung daraus: „Wenn mir jemand absichtlich ein Messer hineinstößt, dann sag ich doch, wer es war.“Nicht zuletzt betont der Verteidiger: „Selbst wenn sie zugestochen hätte: Warum wird da ein Mord angenommen? Warum nicht eine Körperverletzung mit tödlichem Ausgang? – Fakt ist, dass hier massive Zweifel bestehen, was diese Anklageschrift betrifft.“
Petronela T. lernte den Wirt 2008 kennen und lieben, ab 2010 zog sie zu ihm und arbeitete auf der Lisa Alm, 2017 heiratete der Gastronom die Rumänin. Die Frau beteuert im Prozess ihre Unschuld: „Er war mein bester Freund und alles, was ich habe. Ich hätte ihm nie etwas Böses antun wollen. Wir waren sehr betrunken und haben heftig gestritten, ja. Und ich hatte das Messer beim Jausnen in der Hand. Alles ist so schnell gegangen. Er hat meine Hand gepackt und nach oben gezogen. Ich habe den Stich erst gar nicht realisiert. Ich dachte, er hat nur einen Kratzer, weil auf dem Messer nur wenig Blut war. Erst als er sich das Hemd aufriss, sah ich das viele Blut.“
Der Vorsitzende Richter wollte wissen, warum die Angeklagte bei ihrer ersten Einvernahme vor der Polizei gesagt hat, ihr Mann habe sich allein den Stich zugefügt. Antwort: „Ich hatte Angst, dass man mir nicht glaubt, wie es wirklich war.“Dann wollte Richter Torpier wissen, warum er ihre Hand gepackt habe. Petronela T.: „Ich glaube, er wollte mich erschrecken. Damit ich bei ihm bleibe und nicht gehe. Er gab mir öfters das Gefühl, ihm passiert etwas und ich sei daran schuld.“
Gerichtsmediziner Fabio Monticelli hält die Unfallversion „vom Stichkanal her für sehr unwahrscheinlich“. Mit Sicherheit auszuschließen sei eine „Selbstzufügung des Stichs“aber nicht. Laut neuropsychiatrischem Gutachter Peter Hofmann war Petronela T. zur Vorfallszeit „mittelbis höhergradig betrunken, aber zurechnungsfähig“. – Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetzt.