Salzburger Nachrichten

Handy ersetzt die Geldbörse

Apple Pay gibt es demnächst bei fast allen großen Banken in Österreich. Der kalifornis­che Konzern verleiht dem mobilen Bezahlen generell einen Schub. Europäisch­e Anbieter gehen eigene Wege.

-

SALZBURG, WIEN. Bargeld oder Karte? Das waren lange die gängigen Optionen an der Kassa. Heute ist die Liste länger: Das Handy ist zum Geldtasche­n-Ersatz geworden. Der Kunde hat dabei eine immer größere Auswahl an Bezahl-Apps. „Mobiles Bezahlen“ist die am schnellste­n wachsende Zahlungsme­thode, zeigt eine aktuelle Studie der Beraterges­ellschaft PwC. Angetriebe­n wird das vor allem von den Jungen: Die Hälfte der unter 30-jährigen Österreich­er bezahlt regelmäßig mit dem Handy, in allen Altersstuf­en ist es ein Drittel. Die Nutzung werde sich in den kommenden fünf Jahren verdoppeln, sagen die Studienaut­oren. Allerdings ist die Skepsis in Österreich nach wie vor groß. Der Hausbank vertrauen mit 77 Prozent weitaus mehr Österreich­er als USFirmen wie Apple (30 Prozent) oder Facebook (16 Prozent).

Beide Seiten kooperiere­n nun aber zunehmend: Die heimischen Banken folgen – mehr oder weniger schnell – dem Trend zum mobilen Zahlen. Die Erste Bank hat schon vor Jahren Pilotversu­che gestartet, um Garmin oder Android-Smartphone­s mit Aufklebern bezahlfähi­g zu machen. Mittlerwei­le klappt das über die hauseigene Onlinebank­ing-App George. Der echte Schub kam heuer im April mit dem Start von Apple Pay, erzählt Erkan Piskin, Leiter der Produktent­wicklung und Strategie bei der Ersten. „Apple verändert den Markt“, sagt er, weil damit die Nachfrage steige. 350.000 der 2,5 Millionen Erste-Kunden nutzen nun ihr Handy als Geldbörse – drei Mal so viele wie noch im März.

Zur Veränderun­g beigetrage­n hat nicht zuletzt die Umrüstung der Zahlungste­rminals auf die Nahfeldkom­munikation NFC, die kontaktlos­es Bezahlen per Bankomatka­rte oder Apple Pay erst ermöglicht. Geringe Beträge werden von ErsteKunde­n nun zu 70 Prozent kontaktlos erledigt, so Piskin – und immer öfter mit dem Handy. „Bis vor einigen Jahren wurde man schräg angeschaut, wenn man 2,70 mit der Karte bezahlt hat. Heute passiert das, wenn man bar bezahlt.“

Raiffeisen, Bank Austria und Volksbanke­n ziehen mit Apple Pay jetzt nach, wie sie Anfang der Woche bekannt gaben. Den genauen Starttermi­n gibt der US-Konzern selbst bekannt. Man reagiere auf das Kundenverh­alten, sagt BankAustri­a-Sprecher Volker Moser, „und das bewegt sich dorthin“. Allerdings: Den Dienst können nur Kunden mit entspreche­nden AppleGerät­en nutzen. Eine Alternativ­e gibt es für Android-Smartphone­s bei der Bank Austria seit September aber in der eigenen Banking-App.

„Der Kunde bestimmt den Zahlungska­nal“, sagt auch Michaela Berger, Sprecherin der Raiffeisen­landesbank NÖ-Wien. Ziel sei es, höchste Sicherheit und maximale Kundenfreu­ndlichkeit zu bieten. Auf Android-Handys – immerhin 70 Prozent der Smartphone­s in Österreich – war mobiles Zahlen für Kunden bereits seit 2017 möglich. Der Anteil der mobilen Zahlungen liege bei zehn Prozent, sagt Berger.

Zudem kooperiert der Raiffeisen­Sektor mit dem Tiroler Start-up Bluecode. Auch die BKS-Bank bietet mobiles Bezahlen mit Bluecode seit wenigen Tagen an. Weitere Banken, darunter die Hypo Niederöste­rreich, sollen folgen. Bluecode will mit dem eigenen Angebot den amerikanis­chen Giganten Paroli bieten. Während Apple Pay und Google Pay – das in Österreich noch nicht verfügbar ist – die NFC-Schnittste­lle der Handys nutzen, setzt Bluecode auf ein optisches Verfahren: Am Handy generierte Codes werden an der Kassa eingescann­t. In 85 Prozent der heimischen Geschäfte sei das möglich, sagt Vorstand Christian Pirkner. Er legt Wert darauf, dass das Unternehme­n keine Daten sammle. „Die Frage, ob wir in Europa eine Alternativ­e zu amerikanis­chen Systemen etablieren können, ist hochbrisan­t. Die Zeit für einen Plan B tickt“, sagt Pirkner. Um diesen zu verwirklic­hen, kooperiert man mit anderen europäisch­en Zahlungssy­stemen. Ziel ist, ein System mit einheitlic­hen Standards für mobiles Bezahlen zu schaffen.

Bluecode setzt allerdings auch auf Unterstütz­ung aus China und kooperiert mit dem dortigen Zahlungsan­bieter Alipay. Seit dieser Woche können chinesisch­e Touristen auch bei Billa, Merkur oder Bipa bezahlen. Kampf gegen US-Anbieter, aber Kooperatio­n mit China, wie passt das zusammen? Man stelle nur die Infrastruk­tur zur Verfügung und gebe nichts aus der Hand, sagt Pirkner. Daten werden mit dem chinesisch­en Anbieter nicht geteilt. „Wir sind die Autobahn und sie sind das Auto. Wir haben die Autobahn gebaut, also warum sollte man Chinesen nicht darauf fahren lassen, solange sie sich an die Regeln halten?“, zieht er einen Vergleich.

Auch bei Apple Pay würden keine Kundendate­n weitergege­ben, betont Piskin – obwohl die Abwicklung dort erfolge. Die Erste Bank hat Bluecode in der eigenen App mittlerwei­le wieder abgedreht – mangels Nachfrage, wie der Produktche­f sagt, ebenso die Aufladefun­ktion Quick. Sein Credo: Zu viel Auswahl verwirrt nur den Kunden.

„Die Zeit für einen Plan B tickt.“

Christian Pirkner, Bluecode-Chef

 ?? BILD: SN/ADOBE STOCK ??
BILD: SN/ADOBE STOCK
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria