„In guter Form kann ich jedes Turnier der Welt gewinnen“
Hinter Golfstar Bernd Wiesberger liegt ein aufregendes Jahr, vor ihm noch aufregendere Monate – mit dem US Masters und mit einem großen Fragezeichen hinter Olympia.
WIEN. Seine ersten freien Tage seit genau einem Jahr hätte sich Bernd Wiesberger anders vorgestellt: Eine Verkühlung setzt ihm gerade heftig zu. „Das ist immer so, wenn der Stress nachlässt.“
Stress hatte er genug und dennoch ließ er in kleiner Runde noch einmal das außergewöhnlichste Jahr seiner Karriere Revue passieren. Das vor genau einem Jahr mit seinem Comeback nach langwieriger Handgelenksverletzung – die für einen Golfer wohl schlimmste Verletzung – auf Mauritius begann. „Ich kann mich noch genau an das Glücksgefühl erinnern, als ich erstmals wieder eine Scorekarte in der Hand gehalten habe.“
Es war das erste von 29 Turnieren, die Wiesberger auf der European Tour gespielt hat. „Es war eine unglaubliche Reise“, sagt er fast ein bisschen nachdenklich. Begonnen hat diese mit Selbstzweifeln und dem Absturz in der Weltrangliste auf Platz 380, geendet hat das Jahr auf Ranglistenposition 21 (die beste bisher), einer langen Führung auf der Europa-Tour (Race to Dubai) und der Erkenntnis: „In guter Form kann ich jedes Turnier auf der Welt gewinnen.“
Sein Erfolgslauf prägt nun das neue Jahr mit. Denn Wiesberger ist für alle Major-Turniere fix qualifiziert und kann sich rund um die vier Saisonhighlights seinen Spielplan zusammenstellen. Das hat er jetzt einmal bis zum US Masters in Augusta (9. bis 12. April) gemacht: Nach einem Urlaub bis Mitte Dezember („Hoffentlich mit ein paar Tagen Skifahren“) steigt er in Abu Dhabi (ab 16. Jänner) wieder in die Saison ein – mit dem ersten Höhepunkt US Masters. „Wer mich kennt, der weiß, was die Masters für mich bedeuten“, sagt Wiesberger. Danach werde er weiterplanen – aber 29 Turniere wie in diesem Jahr will er nicht mehr spielen. „Ideal wären so um die 25 Turniere.“
Im August stünde ein weiteres Highlight an – oder doch nicht? Was denkt Wiesberger über die Olympischen Spiele? „Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich war in Rio dabei, da habe ich den Teamspirit sehr geschätzt. Aber diesmal wird es nicht so sein, der Platz ist weit außerhalb Tokios und wir werden auch nicht im olympischen Dorf wohnen. Außerdem muss ich mich erst einmal qualifizieren.“Das dürfte zwar Formsache sein (Deadline ist der 23. Juni), aber tatsächlich hat Österreich mit Wiesberger, Matthias Schwab und Sepp Straka derzeit drei Weltklassegolfer. „Deutsche
Reporter fragen oft: Wie macht ihr Österreicher das? Aber es gibt kein Geheimnis dahinter, außer harte Arbeit. Und es kann schnell wieder anders sein, daher sollten wir diesen Zustand genießen.“
Stolze 14 Millionen Euro Preisgeld hat Wiesberger in seiner Karriere schon verdient – was ist da noch Luxus für ihn? „Manchmal nach einem guten Turnier eine Shoppingtour. Aber hauptsächlich versuche ich mir das Reisen so angenehm wie möglich zu machen, da leiste ich mir schon einmal ein Upgrade“, sagt der Vielflieger schmunzelnd. Allein im November hat er auf drei verschiedenen Kontinenten abgeschlagen – wie übersteht er da den Jetlag? „Das ist zum Glück kein Problem. Bei Tag bin ich wach, in der Nacht schlafe ich.“