Salzburger Nachrichten

Friedensgi­pfel mit Putin und Selenskyj

Friedensgi­pfel mit Putin und Selenskyj: In Paris wollen Macron und Merkel neue Lösungen für den Ukraine-Konflikt vermitteln. Starke Zweifel bestehen am russischen Kompromiss­willen.

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In Paris wollen Macron und Merkel neue Lösungen für den Ukraine-Konflikt finden.

Macron verstört die Verbündete­n

Es läuft nicht gut für Wolodymyr Selenskyj. Vor allem die Ukraine-Affäre in den USA macht ihm zu schaffen. Sie droht den jungen Präsidente­n und sein Land internatio­nal in Verruf zu bringen. Korruption, lautet das Schlagwort. Dabei habe er mit US-Präsident Donald Trump, der Ermittlung­en gegen seinen Rivalen Joe Biden verlangt haben soll, nie nach der Devise gesprochen: „Du gibst mir dies, ich gebe dir das.“So rede er nur mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin, beteuert Selenskyj.

Die Frage ist nur, warum Putin bereit sein sollte, dem Ukrainer irgendetwa­s zu geben. Zum Beispiel einen Frieden in der Donbass-Region. Seit bald sechs Jahren führen dort prorussisc­he Separatist­en Krieg gegen die ukrainisch­e Armee. Mehr als 13.000 Menschen starben. Selenskyj hat seinen Landsleute­n versproche­n, das Töten in der Ostukraine zu beenden und Frieden zu schaffen. Mit Putin. Geht das? Genau das soll sich zeigen, wenn sich die beiden Präsidente­n am Montag in Paris zum ersten Mal persönlich treffen. Als Vermittler sitzen der französisc­he Staatschef Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit am Tisch.

Viel zu vermitteln scheint es allerdings nicht zu geben. „Auf der russischen Seite fehlt der politische Wille, den Status quo zu ändern“, erklärt Susan Stewart, OsteuropaE­xpertin der Stiftung Wissenscha­ft und Politik in Berlin. Die andauernde Instabilit­ät in der Region sei für Putin der ideale Hebel, um seinen Einfluss im postsowjet­ischen Raum zu sichern. Tatsächlic­h ist eine weitere Annäherung der Ukraine an den Westen nur bei einer dauerhafte­n Lösung des Donbass-Konflikts denkbar. Und dann ist da ja noch die Krim, die Russland im Jahr 2014 annektiert hat.

Zugeständn­isse in dieser Frage seien ausgeschlo­ssen, heißt es in ukrainisch­en Regierungs­kreisen, wo man sich hinter vorgehalte­ner Hand grundpessi­mistisch zu dem Treffen in Paris äußert: „Nichts wird herauskomm­en.“Da jedoch ist selbst die sonst skeptische Susan Stewart optimistis­cher. „Etwas mehr als zuletzt“werde man schon vereinbare­n. Ein weiterer Gefangenen­austausch gilt als ausgemacht­e Sache. Außerdem wird man sich wohl auf eine stärkere Entflechtu­ng der Truppen im Donbass einigen.

Eigentlich sollte es in Paris um mehr gehen. Um Frieden eben. Dafür jedoch bräuchte es eine dauerhafte Lösung, wie sie im Minsker Abkommen von 2015 vorgezeich­net ist, frei nach der Devise: Du gibst mir dies, ich gebe dir das. Die kremltreue­n Separatist­en würden die Möglichkei­t erhalten, in Wahlen echte Gestaltung­smacht in einem autonomen Donbass zu erlangen.

Dafür bekäme die Ukraine die Kontrolle über das Gebiet zurück. Doch seit dem Vertragssc­hluss von Minsk hat sich immer wieder gezeigt, dass Nehmen in dem Konflikt seliger ist als Geben. Auf beiden Seiten.

Zuletzt gab Selenskyj noch einmal ultimativ zu Protokoll: „Bevor man zu den Urnen schreitet, müssen alle illegalen militärisc­hen Einheiten abziehen.“Anders formuliert: Putins Söldner sollen gehen. Dann wird gewählt. An ein solches Szenario aber verschwend­et im Kreml niemand einen Gedanken. Da sind sich Diplomaten und Wissenscha­fter einig. Aber warum dann überhaupt dieses erste Treffen des Normandie-Quartetts seit mehr als drei Jahren?

Der Name verweist auf die Verhandlun­gen im Viererform­at, die 2014, nach Ausbruch des DonbassKri­egs, an der französisc­hen Atlantikkü­ste

stattfande­n. Damals hießen die Protagonis­ten in Kiew und Paris noch Petro Poroschenk­o und François Hollande. Und genau das ist der Punkt: Außer Selenskyj drängt vor allem Macron auf einen Neustart in den Beziehunge­n zu Russland. Der französisc­he Präsident erklärte zuletzt gleich mehrfach, Putin sei nicht der Feind des Westens.

Bei vielen NATO-Partnern im Osten Europas sorgte das für Entsetzen. Aber auch Kanzlerin Merkel äußerte sich kritisch, und in Kiew machte sogar die Frage die Runde, ob Macron „verrückt geworden“sei. Selenskyjs Verhandlun­gsspielrau­m sei durch die französisc­hen Anbiederun­gen deutlich geschrumpf­t. Anders formuliert: Macron gibt Putin freiwillig dies und das, ohne dass der Kremlchef irgendetwa­s geben müsste.

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BILD: SN/AP Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte am Sonntag vor zu hohen Erwartunge­n in Paris.

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