Regieren in den Zeiten der Parteienkrise
Warum die andauernde Schwächephase zweier Parteien die Regierbarkeit Österreichs gefährdet.
Die Koalitionsverhandlungen von ÖVP und Grünen schleppen sich in ihre x-te Woche, ein Ende ist nicht abzusehen – und ebenso wenig ist abzusehen, ob die Gespräche von Erfolg gekrönt sein werden, ob also am Ende tatsächlich eine türkis-grüne Bundesregierung steht. Die Verhandlungen können ebenso gut scheitern. Was dann? Man darf davon ausgehen, dass ein Stratege wie Sebastian Kurz bereits über andere Wege nachgedacht hat, dem ihm vom Bundespräsidenten erteilten Regierungsauftrag nachzukommen. Nur: Diese Wege werden von Tag zu Tag schwieriger zu beschreiten.
Denn um eine Regierung zu bilden, die über eine Mehrheit im Nationalrat verfügt, wird sich Kurz, sollten die Gespräche mit den Grünen scheitern, wohl oder übel an die SPÖ oder an die FPÖ wenden müssen. An jene beiden Parteien also, die sich täglich stärker in ihre Krisen verstricken. Die SPÖ hat weder einen inhaltlichen noch einen strategischen Plan und wird geführt von einer Parteichefin ohne Autorität. Die FPÖ ist von einer Parteispaltung bedroht und wird fast täglich von neuen Korruptionsvorwürfen heimgesucht. Mit beiden Parteien ist momentan kein Staat zu machen und keine Regierung zu bilden. Denn in beiden Parteien könnte jederzeit ein Aufstand der Parteitagsbasis die Unterschrift hinwegfegen, die die Parteiführung unter einen allfälligen Koalitionsvertrag gesetzt hat. Ein Experiment der Volkspartei mit der SPÖ oder mit der FPÖ in deren jetzigem Zustand könnte daher von noch kürzerer Lebensdauer sein, als es die an Ibiza gescheiterte ÖVP-FPÖ-Koalition war. Und die Neos? Wären zwar regierungsfähig, reichen aber nicht aus für eine parlamentarische Regierungsmehrheit.
Womit sich die Frage nach Alternativen stellt. Eine solche Alternative könnte eine ÖVP-Minderheitsregierung sein; also eine Alleinregierung der ÖVP, die von den anderen Parteien – denen die ÖVP natürlich massive Zugeständnisse machen müsste – geduldet wird. Auch hier stellt sich die Frage, wie lange das Experiment gut geht. Eine andere Alternative wäre: eine Neuwahl. Österreich würde dann neuerlich in einen monatelangen Wahlkampf versinken, und es müsste für etliche weitere Monate mit einer Regierung vorliebnehmen, die nicht durch Wahlen legitimiert ist. Auch das ist also kein probater Ausweg.
Die Krisen von SPÖ und FPÖ reduzieren die realistischen Regierungsvarianten auf jene türkis-grüne, die derzeit in Verhandlung steht. Scheitern nicht ausgeschlossen – und nicht wünschenswert.