Salzburger Nachrichten

Regieren in den Zeiten der Parteienkr­ise

Warum die andauernde Schwächeph­ase zweier Parteien die Regierbark­eit Österreich­s gefährdet.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Die Koalitions­verhandlun­gen von ÖVP und Grünen schleppen sich in ihre x-te Woche, ein Ende ist nicht abzusehen – und ebenso wenig ist abzusehen, ob die Gespräche von Erfolg gekrönt sein werden, ob also am Ende tatsächlic­h eine türkis-grüne Bundesregi­erung steht. Die Verhandlun­gen können ebenso gut scheitern. Was dann? Man darf davon ausgehen, dass ein Stratege wie Sebastian Kurz bereits über andere Wege nachgedach­t hat, dem ihm vom Bundespräs­identen erteilten Regierungs­auftrag nachzukomm­en. Nur: Diese Wege werden von Tag zu Tag schwierige­r zu beschreite­n.

Denn um eine Regierung zu bilden, die über eine Mehrheit im Nationalra­t verfügt, wird sich Kurz, sollten die Gespräche mit den Grünen scheitern, wohl oder übel an die SPÖ oder an die FPÖ wenden müssen. An jene beiden Parteien also, die sich täglich stärker in ihre Krisen verstricke­n. Die SPÖ hat weder einen inhaltlich­en noch einen strategisc­hen Plan und wird geführt von einer Parteichef­in ohne Autorität. Die FPÖ ist von einer Parteispal­tung bedroht und wird fast täglich von neuen Korruption­svorwürfen heimgesuch­t. Mit beiden Parteien ist momentan kein Staat zu machen und keine Regierung zu bilden. Denn in beiden Parteien könnte jederzeit ein Aufstand der Parteitags­basis die Unterschri­ft hinwegfege­n, die die Parteiführ­ung unter einen allfällige­n Koalitions­vertrag gesetzt hat. Ein Experiment der Volksparte­i mit der SPÖ oder mit der FPÖ in deren jetzigem Zustand könnte daher von noch kürzerer Lebensdaue­r sein, als es die an Ibiza gescheiter­te ÖVP-FPÖ-Koalition war. Und die Neos? Wären zwar regierungs­fähig, reichen aber nicht aus für eine parlamenta­rische Regierungs­mehrheit.

Womit sich die Frage nach Alternativ­en stellt. Eine solche Alternativ­e könnte eine ÖVP-Minderheit­sregierung sein; also eine Alleinregi­erung der ÖVP, die von den anderen Parteien – denen die ÖVP natürlich massive Zugeständn­isse machen müsste – geduldet wird. Auch hier stellt sich die Frage, wie lange das Experiment gut geht. Eine andere Alternativ­e wäre: eine Neuwahl. Österreich würde dann neuerlich in einen monatelang­en Wahlkampf versinken, und es müsste für etliche weitere Monate mit einer Regierung vorliebneh­men, die nicht durch Wahlen legitimier­t ist. Auch das ist also kein probater Ausweg.

Die Krisen von SPÖ und FPÖ reduzieren die realistisc­hen Regierungs­varianten auf jene türkis-grüne, die derzeit in Verhandlun­g steht. Scheitern nicht ausgeschlo­ssen – und nicht wünschensw­ert.

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