Salzburger Nachrichten

Gute Basis für neue Regierung

Die erste Beamtenreg­ierung der Zweiten Republik beschäftig­t sich im Hintergrun­d mit Altlasten und Zukunftsfr­agen. Und wird damit einen Wegweiser für politische­s Handeln hinterlass­en.

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Seit mehr als einem halben Jahr wird Österreich vor allem verwaltet und kaum regiert. Und angesichts der zunehmend schwierige­r werdenden Koalitions­verhandlun­gen zwischen ÖVP und Grünen ist offen, wie lange dieser Zustand noch anhalten wird. Manche stört, dass immer mehr Zeit verstreich­t, in der keine weitreiche­nden politische­n Entscheidu­ngen fallen. Von Stillstand kann freilich keine Rede sein: Die erste Beamtenreg­ierung der Zweiten Republik, an deren Spitze die erste Bundeskanz­lerin Österreich­s steht, beschäftig­t sich im Hintergrun­d viel mit Altlasten und Zukunftsfr­agen – und legt damit der nächsten Regierung einiges vor: Probleme werden nüchtern benannt, Zusammenhä­nge erklärt, Lösungsmög­lichkeiten aufgezeigt.

Nur wer laut schreit, wird auch gehört? Die Beamtenreg­ierung ist die personifiz­ierte Gegenthese zu diesem Spruch. Die unaufgereg­t-zurückhalt­ende Art, mit der die zu Ministereh­ren gelangten Expertinne­n und Experten ihre Finger auf offene Wunden legen, schafft Aufmerksam­keit.

Und eine Glaubwürdi­gkeit, von der Berufspoli­tiker oft nur träumen können. Ein paar Beispiele:

Dass das Heer in den vergangene­n Jahrzehnte­n Richtung Bankrott gespart wurde, ist keine Neuigkeit. Es bedurfte aber offenbar Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger­s schonungsl­osen Berichts über den Zustand des Heeres, um das Interesse einer breiteren Öffentlich­keit zu gewinnen. Nicht nur für einen Tag, sondern für einige Wochen.

Das gelang auch dem Justizmini­ster. Hinweise, dass die Justiz an immer mehr Stellen aus dem letzten Loch pfeift, hatte es schon lange gegeben. Clemens Jabloner sprach es aus („Die Justiz stirbt einen langsamen Tod“), regte so eine breite inhaltlich­e Debatte an und listete penibel auf, was wo an Personal und Geld investiert werden muss, damit das Werkel wieder so läuft, wie es sollte – und wie es von den Bürgern erwartet werden darf.

Dem von den Parteien besonders umkämpften Innenminis­terium wiederum tut es offensicht­lich gut, dass einmal ein Überpartei­licher das Zepter führt: Innenminis­ter Wolfgang Peschorn bemüht sich nach Kräften, Ordnung in dem Ressort zu schaffen. So nebenbei pochte er auf saubere gesetzlich­e Lösungen – etwa im Fall der Asylbewerb­er in Lehre. Und drehte nach gründliche­r Analyse Projekte seiner Vorgänger ab: etwa Herbert Kickls berittene Polizei. Begründung: zu hohe Kosten für zu wenig Nutzen.

Blicke in die Zukunft warfen u. a. Finanzmini­ster Eduard Müller und Sozialmini­sterin Brigitte Zarfl. Beide wiesen eindringli­ch auf demografis­che Phänomene hin: Müller auf die bevorstehe­nde Pensionier­ungswelle im öffentlich­en Dienst, der rasch mit der Aufnahme und der Ausbildung von Personal begegnet werden müsse. Zarfl legte Untersuchu­ngen vor, die beziffern, wann wie viel Geld in die Hand genommen werden und Personal zur Verfügung stehen muss, um das sich aufbauende Pflegeprob­lem zu meistern. Schließlic­h macht die Pensionier­ungswelle auch vor dem Pflegepers­onal nicht halt. Auch diese demografis­chen Phänomene sind keine Neuigkeit. Hinweise darauf verhallten aber oft ungehört. Unterdesse­n drängt die Zeit vehement.

Und so wird sich die Übergangsr­egierung einmal zugutehalt­en können, das Land nicht nur tadellos verwaltet zu haben, sondern – hoffentlic­h – auch eine wertvolle Basis für das politische Handeln der nächsten Regierung gelegt zu haben.

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BILD: SN/APA/NEUBAUER Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein leitet seit mehr als einem halben Jahr die Regierungs­geschäfte.
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