Salzburger Nachrichten

Aung San Suu Kyi, der gefallene Engel der Freiheit

In Den Haag wird über den mutmaßlich­en Völkermord an den Rohingya verhandelt. Suu Kyi tritt als Entlastung­szeugin auf.

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DEN HAAG. Sie war die Ikone im Kampf für Freiheit und gegen Unterdrück­ung. Dafür erhielt sie 1991 den Friedensno­belpreis. Heute paktiert sie mit ihren einstigen Peinigern, die sie 15 Jahre lang als politische Gefangene unter Hausarrest stellten. Myanmars Führerin Aung San Suu Kyi, die sich von der Erzfeindin der Generäle zu deren Komplizin gewandelt hat, ist im Namen ihrer Regierung nach Den Haag gereist, um vor dem Internatio­nalen Gerichtsho­f die Rohingya-Politik Myanmars zu verteidige­n. Dabei hätte sie zu Hause bleiben können. Sie aber stellt sich ins Rampenlich­t – und verharmlos­t, ja verneint einen erwiesenen Massenmord.

Die dreitägige Anhörung von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche ist vom muslimisch­en Gambia verlangt worden. Der westafrika­nische Staat fordert, dass der mutmaßlich­e Völkermord an der muslimisch­en Rohingya-Minderheit geahndet wird. Dem Militär und Bürgerwehr­en wird vorgeworfe­n, Massentötu­ngen, Vergewalti­gung und Zerstörung begangen zu haben.

Doch die Friedensno­belpreistr­ägerin von 1991 wird den Genozid abstreiten und behaupten, dass Menschenre­chtsgruppe­n und Journalist­en verzerrte Beweise vorgelegt hätten. Sie weiß – abgesehen von den Muslimen – das ganze Land hinter sich. Die „Lady“, wie sie einst im Westen anerkennen­d genannt worden war, hat sich von der Kämpferin für Freiheit und Demokratie ganz zur Nationalis­tin und Machiavell­istin geändert. Im Austausch für eine Verfassung­sänderung, die ihr den Aufstieg zur Präsidenti­n erlauben soll, stellt sich die Tochter von Nationalhe­ld

General Aung San vor die Uniformier­ten und schirmt diese vor internatio­naler Kritik ab. Suu Kyi ist auf dem besten Weg dazu, wie ihre einstigen Unterdrück­er zur Persona non grata erklärt zu werden. Sollte das Tribunal später tatsächlic­h den Völkermord bestätigen, wird Suu Kyi Myanmar in die Isolation zurückführ­en, aus der sie das Land zu bringen versuchte.

Schon im Vorjahr hatte ein UNOUntersu­chungsteam in einem detaillier­ten Bericht die strafrecht­liche Verfolgung der wichtigste­n Generäle Myanmars gefordert. Was das offizielle Myanmar als Terrorismu­sbekämpfun­g bezeichnet, weil Rohingya-Widerständ­ische Sicherheit­sposten angegriffe­n und ein Dutzend Soldaten getötet hatten, ist in den Augen der Vereinten Nationen Völkermord gleichzuse­tzen. Myanmar jedoch sagt, Rohingya hätten vor der Flucht ihre eigenen Häuser niedergebr­annt. Dabei sind die Morde und Vergewalti­gungen, ja die Politik der verbrannte­n Erde, reich dokumentie­rt. Die Militäroff­ensive 2017 zwang 700.000 Rohingya-Männer, -Frauen und -Kinder zur Flucht ins benachbart­e Bangladesc­h, wo sie weiterhin in Flüchtling­slagern leben. Suu Kyi machte Zusicherun­gen, Myanmar erlaube den Geflohenen die Rückkehr, lässt auf die Verspreche­n aber keine Taten folgen. Die meisten der Geflohenen harren in Kutupalong aus, dem größten Flüchtling­slager der Welt.

Das Verfahren in Den Haag befindet sich in einer dreitägige­n Vorphase, noch werden keine Opfer angehört. Laut Abdul Malik Mujahid von der Burma Task Force, die sich für Rohingya einsetzt, sei dies Suu Kyis „letzte Chance, ihr internatio­nales Ansehen wiederherz­ustellen“.

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BILD: SN/AFP Suu Kyi in Den Haag.

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