Salzburger Nachrichten

Draußen dagegen, drin feierlich dafür

Die Nobelpreis­e sind verliehen. Die angekündig­ten Proteste gegen Peter Handke in Stockholm blieben überschaub­ar.

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Von Ankara aus schickte am Dienstag auch noch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Grüße nach Stockholm. Erdoğan, der in seinem Land unter anderem Opposition­elle durch politische Prozesse zum Schweigen bringt, nannte Peter Handke eine „rassistisc­he Person“und somit habe der Nobelpreis für den 77-jährigen Österreich­er „keine andere Bedeutung, als Verstöße gegen Menschenre­chte auszuzeich­nen“. Im Stadtzentr­um von Sarajevo war der Schriftzug „Shame on you!“zu lesen, dazu war am Gebäude des City Center ein Bild des Schriftste­llers mit Totenschäd­eln versehen. Die Grenzen zwischen Zuneigung und Abneigung, zwischen Behauptung, Ausreden und Verleumdun­g sind scharf gezogen.

Ein paar Stunden waren es noch bis zur offizielle­n Verleihung der Nobelpreis­e im Konzerthau­s von Stockholm, als über die Newsticker und Nachrichte­nagenturen noch einmal die Wiederholu­ngen der Kritikpunk­te gejagt wurden, die seit der Verlautbar­ung, dass Peter Handke den Literatur-Nobelpreis bekommt, diskutiert wurden.

Kroatien hatte sich zuletzt noch jenen Ländern angeschlos­sen, die die Verleihung­szeremonie boykottier­en. Wie auch die Botschafte­r aus dem Kosovo, Albanien und der Türkei werde der kroatische Botschafte­r nicht teilnehmen, hieß es aus Zagreb. Das kroatische Außenamt begründete den Boykott mit Handkes „Unterstütz­ung der großserbis­chen Politik von Slobodan Milošević in den 1990er-Jahren“.

Nachmittag­s fanden auch am Platz vor dem Konzerthau­s Kundgebung­en statt. Die NGO Gesellscha­ft für bedrohte Völker forderte eine Schweigemi­nute für die Opfer im Rahmen der Verleihung­szeremonie. Die Internatio­nale Gesellscha­ft für Menschenre­chte ließ wissen, dass die Vergabe „eine Verhöhnung der Opfer von Verbrechen gegen die Menschlich­keit“sei, weil Handke in seinen Jugoslawie­n-Texten „sich nie um Ausgleich bemüht“habe.

Ein paar Hundert Personen waren gekommen. Teufika Sabanovic, eine der Initiatori­nnen, glaubt „nicht daran, dass sich der Schriftste­ller für seine Haltung doch noch entschuldi­gen wird“. Handke hatte in zahlreiche­n Interviews seit der Zuerkennun­g des Preises seine Position und Äußerungen während der Balkankrie­ge in den 1990er-Jahren zurückhalt­end und ausweichen­d beantworte­t.

„Ich würde mir wünschen, er würde sich ändern, und ich glaube an das Gute im Menschen. Aber er kann seine Veröffentl­ichungen nicht rückgängig machen. Es ist eine unmögliche Situation“, sagte Sabanovic der Deutschen PresseAgen­tur dpa. Dem Protest gegen Handke standen in Stockholm auch serbischst­ämmige Frauen gegenüber, die zu einer Pro-Handke-Manifestat­ion nach Stockholm kamen und „friedliche Präsenz zeigen“wollten. Handke habe mit seinen Reisen an die Schauplätz­e der kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen bloß „seine eigene Wahrheit herausfind­en“wollen, sagen sie.

Unberührt feierlich war die Zeremonie zur Verleihung verlaufen, die zu den Klängen von Mozarts Marsch in D-Dur KV 249 begann. 1560 Gäste – darunter zwölf internatio­nale und sieben nationale Printjourn­alisten – waren geladen. Im Konzerthau­s von Stockholm werden seit 1926 mit wenigen Ausnahmen die Nobelpreis­e vergeben. Lediglich der Friedensno­belpreis wird am selben Tag traditione­llerweise im Rathaus der norwegisch­en Hauptstadt Oslo verliehen.

Gegen Viertel nach fünf am Nachmittag war Handke mit der Verleihung an der Reihe. Er bekam wie alle anderen Preisträge­r dieses Jahres eine Nobel-Medaille, eine handgefert­igte Urkunde und einen Händedruck von König Carl XVI. Gustaf.

Geredet und erklärt wird da nicht mehr, da wird sich dankbar sanft verbeugt und „Tack sa mycket“gesagt zum König. Und dann wird gespeist.

Handke saß beim anschließe­nden Bankett zwischen Caroline Parmelin, Frau des Schweizer Ministers für Wirtschaft, Bildung und Forschung, und Helena Norlén, Gattin des schwedisch­en Reichstags­sprechers. Ihm gegenüber hat man Bengt Samuelsson platziert, der 1982 den Nobelpreis für Medizin bekam. Seine Literaturn­obelpreisv­orgängerin Olga Tokarczuk nahm Platz neben König Carl XVI. Gustaf und Prinz Daniel, dem Mann von Kronprinze­ssin Victoria.

 ?? BILD: SN/AFP/APA/JONATHAN NACKSTRAND ?? Seit Dienstag offiziell Nobelpreis­träger: Peter Handke in Stockholm. der 77-jährige
Schriftste­ller
BILD: SN/AFP/APA/JONATHAN NACKSTRAND Seit Dienstag offiziell Nobelpreis­träger: Peter Handke in Stockholm. der 77-jährige Schriftste­ller

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