Kelch wird nach einer Frau benannt
LINZ, SALZBURG, Ein fingernagelgroßes Dekor, sei es ein Stück Flechtband oder sich berührende Fingerkuppen, werden zu riesigen Gebilden. Der eigentlich 26 Zentimeter hohe Kelch, eines der wichtigsten Zeugnisse europäischer Geschichte, ragt nun neun Meter hoch. Das rund drei Kilogramm schwere Gefäß, das sich mit fünf Fingern an Perlring und Knauf – vielleicht noch mit der anderen Hand am Fußsaum gestützt – mühelos halten lässt, steht plötzlich riesig da: fünf Mal so groß wie man selbst. Dieses Wunder der digitalen 3D-Bildwiedergabe, bei dem so noch nie zu erkennende Details und die feinfühlige Virtuosität einstiger Handwerker sichtbar werden, ist am Beispiel des Tassilo-Kelches aus Stift Kremsmünster morgen, Donnerstag, im Linzer Ars Electronica Center (AEC) zu erleben. Die hochaufgelösten Fotos, die im Deep Space des AEC auf 32 Millionen Bildpunkten wiedergegeben werden, erlauben bisher unvorstellbare Gesamt- und Detailansichten.
Aber halt! „Tassilo-Kelch“ist nicht mehr korrekt. Dass in der Bezeichnung der Name einer Frau unterschlagen ist, haben jene Forschungen ergeben, bei denen in Mainz mit Spezialkameras die Fotos angefertigt worden sind. Zudem wurden die im Jahr 781 zum Kelch verarbeiteten Metalle – Kupfer, Silber und Gold – so exakt analysiert, dass es künftig vielleicht gelingen kann, die entsprechenden Bergwerke zu eruieren, um die These zu untermauern, dass dieses Prunkstück für und in Salzburg hergestellt worden