Die Roxette-Stimme ist verstummt
Marie Fredriksson vereinte lyrische Balladenstimme und Rockröhre.
STOCKHOLM. „Schwedentruppe Roxette spielte auf – Tausende kamen“, titelten die „Salzburger Nachrichten am 13. Juli 1992 über einem knappen Bildtext. Eine prosaische Bewertung eines großen Gastspiels. Marie Fredriksson und Per Gessle bildeten zum Zeitpunkt ihrer „Summer Joyride Tour“, die sie auch auf den Salzburger Residenzplatz führte, die wahrscheinlich populärste Pop-Formation der Welt. Der Hit „Joyride“hielt sich 1991 zehn Wochen lang auf der Nummer-eins-Position in den österreichischen Charts – getragen von der rockigen, durchdringenden Stimme von Marie Frederiksson. Die charismatische Sängerin starb am Montag im Alter von 61 Jahren.
Die Frontfrau mit den streichholzkurzen, weißblonden Haaren und der geniale Songschreiber und Arrangeur Per Gessle prägten den Pop-Sound und die Titelseiten der Teenie-Magazine in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren. Die Welt sprach damals schwedisch, Stefan Edberg spielte sich elegant auf Platz eins der TennisWeltrangliste und das EishockeyNationalteam durchbrach die Dominanz der Sowjetunion. Roxette wiederum passten perfekt in die stromlinienförmige Popwelt der späten 1980er-Jahre. Der Erfolg des 1986 veröffentlichten Debütalbums „Pearls of Passion“ereignete sich noch innerhalb nationaler Grenzen. Doch was mit „Look Sharp!“1988 folgte, hatte globale Konsequenzen: Das zweite Roxette-Album weist keinerlei Schwachstelle auf, vom rockigen Opener „The Look“über synthielastigere, tanzbare Songs wie „Paint“, „Sleeping Single“oder „Chances“bis hin zur Hitballade „Listen to your Heart“fügt sich PopPerle an Pop-Perle. Die Arbeitsteilung erwies sich als optimal: Gessles Songs und Arrangements bewegten sich am Puls der Zeit, Fredriksson vereinte als perfekte Interpretin lyrische Balladenstimme und Rockröhre.
„She’s got the look“, der Refrain des Titeltracks, ließ sich auch auf die postertaugliche Marie Fredriksson übertragen. „Du hast meine schwarz-weißen Lieder mit den schönsten Farben ausgemalt“, schrieb Gessle in einer Mitteilung, die am Dienstag auf Twitter veröffentlicht wurde. Laut Fredrikssons Management habe das Duo mehr als 80 Millionen Platten verkauft, den Großteil davon vor der Jahrtausendwende. In Wahrheit war der Gipfel bereits mit „Joyride“erreicht, der Zeitgeist war nicht gnädig.
Vor allem fehlte Roxette die energetische Präsenz einer gesunden Marie Fredriksson, nachdem 2002 ein Hirntumor diagnostiziert worden war. 2016 verabschiedete sie sich mit den Worten „Alle schönen Dinge müssen einmal zu Ende gehen“endgültig von der Livebühne – während der Jubiläumstour zum 30-jährigen Bestehen von Roxette.