Tausende Betriebe werden im Internet betrogen und erpresst
Die Kriminalisten schlagen im neuen „Lagebericht Cybercrime“Alarm: Die Strafanzeigen stiegen 2018 um 17 Prozent. Wie gegen Feuer versichern sich immer mehr Unternehmen gegen Hacker.
WIEN. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit rät Wilhelm Seper zu besonderer Vorsicht bei Zahlungstätigkeiten im Internet. „Alle betrügerischen Handlungen sind für Täter im Internet viel leichter möglich als im direkten Kontakt. Ein Onlinefakeshop verzeichnet vor Weihnachten Tausende Besucher an einem Tag“, erzählt der stellvertretende Leiter des Cyber-Crime-Centers im Bundeskriminalamt.
Lösegeldforderungen für Schadprogramme, Verschlüsselungstrojaner, Erpressungen bei pornografischen Darstellungen Minderjähriger im Internet wie auch Urkundenfälschungen im Internet verzeichnen massive Anstiege. 19.627 Straftaten registrierten die Cyberkriminalisten im Vorjahr, um 16,8 Prozent mehr als 2017. Tendenz stark steigend. Aber auch die Zahl der geklärten Straftaten konnte von 6470 (2017) auf 7332 Fälle (2018) um 13,3 Prozent gesteigert werden, ist dem druckfrischen Cybercrime-Bericht zu entnehmen.
Entsprechend den Taten erhöhte sich auch die Anzahl der Tatverdächtigen auf 7980, wobei 70 Prozent von ihnen männlich und 30 Prozent weiblich waren. Den Ermittlern zufolge ist der Großteil der Cyberkriminellen zwischen 25 und 39 Jahre alt. Von Opfern eines Erpressungstrojaners würden durchschnittlich 400 Euro – oft in Form der Kryptowährung Bitcoin – gefordert, sagt Kriminalist Seper.
Eine vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass bei Kleinund Mittelunternehmen (KMU) in Österreich jeweils Schäden zwischen 130 und 10.000 Euro entstanden seien, einige Befragte hätten sogar Gesamtschäden bis zu 150.000 Euro angegeben. Laut KfV sind 80 Prozent aller Betriebe in den vergangenen Jahren mindestens ein Mal zum Ziel von Cyberangriffen geworden. Gerade Kleinunternehmen bemerkten häufig nicht, dass sie Opfer von Cyberattacken geworden sind. „Ein großes Problem ist: Selbst wenn Straftaten festgestellt werden, gelangen diese nur in wenigen Fällen zur Anzeige und somit zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden“, erklärt KfV-Direktor Othmar Thann. Diese hohe Dunkelziffer bei der Internetkriminalität bereitet den Ermittlern Kopfzerbrechen, denn um die Wahrscheinlichkeit der Aufklärung zu erhöhen, bedürfe es entsprechender Strafanzeigen, so Seper.
Entgegen der landläufigen Meinung seien Kleinunternehmen durchaus attraktiv für Cyberkriminelle.
Thann bemerkt dazu: „Die meisten Attacken erfolgen nicht gezielt, sondern automatisiert, das heißt die Angreifer kennen ihr Ziel nicht. Es gibt auch Täter, die nur destruktiv agieren. Sie wollen schaden, so wie Vandalen einfach nur zerstören.“
Thann verweist darauf, dass oft ein paar einfache Dinge genügten, um sich gegen Kriminelle zu wappnen – neben technischen Sicherheitsmaßnahmen seien regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter zur Prävention unabdingbar. Das Kuratorium ortet fehlendes Risikobewusstsein im Arbeitsalltag: Verdächtige E-Mails würden zwar gelöscht und Computer-Updates durchgeführt, auch Antivirenprogramme seien für Unternehmen Usus, selten allerdings externe Datenbackups.
„Cybercrime ist das am stärksten wachsende Kriminalitätsfeld in Österreich. Kleinunternehmen müssen dringend ein neues Versicherungsbewusstsein entwickeln“, betont Rémi Vrignaud, Vorstandschef der Allianz und Vizepräsident des Versicherungsverbandes (VVO). 19 Prozent der Betriebe hätten sich bisher dagegen versichert. „Für KMU ist die Cyberversicherung die neue Feuerversicherung.“