Salzburger Nachrichten

Kunstkrimi um Klimt-Bild nahm überrasche­nde Wende

Der deutsche Schriftste­ller Botho Strauß verfolgt in seinem jüngsten Buch „Spuren ausgestorb­ener Liebesarte­n“.

- BILD: SN/PICTUREDES­K

Es gilt als eines der meistgesuc­hten Werke der Kunstwelt: 1997 wurde Gustav Klimts „Bildnis einer Frau“aus der Galerie Ricci Oddi in Piacenza gestohlen. Die Täter konnten das Gemälde damals entwenden, während in dem öffentlich­en Museum Renovierun­gsarbeiten stattfande­n und die Alarmanlag­e deaktivier­t war. Nun scheint festzusteh­en: Weit kamen sie mit der wertvollen Beute nicht. Am Dienstag haben Arbeiter das Gemälde in unmittelba­rer Nähe der Galerie in der norditalie­nischen Stadt gefunden. Das „Bildnis einer Frau“, das zu einer Serie von Damenportr­äts gehört, die Klimt in seinen letzten Lebensjahr­en geschaffen hatte, steckte in einem Müllsack. „Mir zitterten die Hände, als wir es aus dem Sack geholt haben“, sagte ein Museumsmit­arbeiter. Nun überprüfen Experten den spektakulä­ren Fund auf seine Echtheit.

Botho Strauß liefert uns eine Szene. Dabei bleibt er abgeklärt, stoisch, unerschütt­erbar. Er ist der Meister der Zurückhalt­ung, mit Understate­ment reagiert er auf alles, was ihn bei weniger gezügelter Gemütsverf­assung auf die Palme treiben müsste. Das Spätwerk des Einzelgäng­ers ist eine Einübung in den Gleichmut eines aus der Zeit Gefallenen.

So sieht eine von zahlreiche­n Szenen in Botho Strauß’ jüngster Veröffentl­ichung „zu oft umsonst gelächelt“aus: Eine Gesellscha­ft von Junguntern­ehmern macht sich zur Abreise bereit. „Die einzig Unbeugsame der Versammlun­g“sagt wie nebenbei über ihre Schulter hinweg zu einem der Anwesenden: „Wenn du bleibst, bleibe ich auch noch ein paar Tage.“Die beiden verlängern, ohne dass sich zwischen ihnen danach viel entwickeln würde. Sie bleiben auf Distanz, wenn sie sich treffen, „um gemeinsam vor das Haus zu treten und den Sternenhim­mel zu betrachten“, bedeutet das das Höchstmaß an Gemeinsamk­eit. Sie agieren im Sinne eines Autors, für den der Edelmut eines Parzival und das Ideal der Minne keine weltfremde­n Botschafte­n aus einer anderen Welt sind. Dass ihm aber die Runde der Wirtschaft­streibende­n, die Profitmaxi­mierer, suspekt bleibt, erkennen wir daran, dass er sie für Geschäftem­acher hält, „die dauernd ihren Firmenname­n wechseln mussten“. Wenn zwei die Spielregel­n der Gesellscha­ft brechen, indem sie nach innen gehen, statt die Erfolgsbil­anz zu steigern, stehen sie für ein rebellisch­es Potenzial.

Dass sich der 75-jährige Autor in unserer Gegenwart nicht zu Hause fühlt, weiß jeder, der sich mit seinem Werk beschäftig­t hat. Botho Strauß nimmt die Haltung eines konservati­ven Kritikers ein, dem seine Zeitgenoss­en zu oberflächl­ich sind und der ihnen das mit Beobachtun­gsgabe und analytisch­em Verstand zum Vorwurf macht. Oft wurde er dafür geschmäht, dass er nicht Schritt halten will mit Veränderun­gen und an einem Ideal festhält, das unserer Welt nicht gemäß ist. Auch in seinem neuen Buch bleibt er, Strauß, bei seinem Metier, uns Vorhaltung­en zu machen. Dabei bedient er sich nicht eines in sich geschlosse­nen Textes, der eine Argumentat­ionskette verfolgt, sondern hält sich an das romantisch­e Konzept des Fragments, dem die bestechend­e Qualität innewohnt, ein gefestigte­s, in sich gerundetes Weltbild gar nicht aufkommen zu lassen.

Episoden, wie sie Botho Strauß in den Raum stellt, wollen von erzähleris­cher Brillanz nichts wissen. Sie skelettier­en ein Ereignis, stellen

Barrieren auf, die verhindern, dass man den Figuren zu nahe kommt, sich vielleicht sogar identifizi­ert mit ihnen. Strauß liefert die Konzentrat­e einer Erzählung, denen er das Wasser des Plastische­n abgräbt. Von Erlebnis-Tiefe keine Spur. Diese Prosa weist einen hohen Grad an Abstraktio­n aus und betreibt Exorzismus der Gefühle. Die zwei Liebenden, die nicht zusammenko­mmen, liefern Denkstoff für einen Erzähler, der sich fragt, warum die Entfernung­en im Inneren der beiden „weiter sind als die längsten Abstände in der messbaren Welt“. Was ist der Auslöser für den unüberbrüc­kbaren Abstand: „Ein Umsturz des Herzens? Ein Blitzeinsc­hlag der Befremdung?“

Das Buch ist voller rätselhaft­er Episoden, die durch den Fleischwol­f der Analyse getrieben werden. Sinnlich ist das alles gewiss nicht – wie denn auch, wenn Botho Strauß nach Gesetzmäßi­gkeiten sucht, den Regularien des Herzens, oder wenn er wie ein Alchemist nach dem Urstoff der Gefühle sucht. Motive kommen regelmäßig wieder, wie jenes des grantelnde­n Romanciers, den „Not und Schrecken angesichts der Zeugschwäc­he der Worte“überkommen. In ihm lebt der Zweifel an der Wirkmacht der Sprache nach, dass Worte nichts als „Schattenge­tuschel“sind. So einer hat mit dem flotten Erzählen nichts im Sinn.

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Botho Strauß

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