Salzburger Nachrichten

Schlechte Stimmung in Italien

Seit 100 Tagen ist in Rom die Linksregie­rung unter Premier Giuseppe Conte im Amt. Doch ein Koalitions­krach folgt dem nächsten. Wie lange wird die Allianz noch halten?

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Es sollte alles besser werden, nachdem die alte Regierung in Rom mitten in den Sommerferi­en geplatzt war. Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini hatte die Krise provoziert, Premier Giuseppe Conte kündigte dann das Bündnis. Die Populisten-Allianz aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega war am Ende. Statt Neuwahlen, auf die es der in Italien beliebte Rechtspopu­list Salvini abgesehen hatte, folgte eine neue Koalition. Seit September wird Italien von einer Linksregie­rung geführt. Die linkspopul­istischen Fünf Sterne koalieren mit der gemäßigt linken Demokratis­chen Partei (PD). 100 Tage ist diese Regierung unter erneuter Führung von Conte im Amt. Schon jetzt gibt es Spekulatio­nen über ihr vorzeitige­s Ende.

In drei Monaten trafen sich die Minister bereits 24 Mal zur Krisensitz­ung. Kaum ein politische­r Beobachter glaubt ernsthaft, dass das Kabinett Conte II das Ende der Legislatur­periode im Jahr 2023 erreicht, das käme im politisch wankelmüti­gen Italien einem Wunder gleich. Stattdesse­n, so scheint es, ist jede inhaltlich­e Diskussion Anlass für einen Koalitions­krach. „Die Regierung wird auf diese Weise nicht weitermach­en können“, sagt der linke Politikbeo­bachter und ehemalige Chefredakt­eur der Zeitung „L’Unità“, Emanuele Macaluso. „Die Unterschie­de zwischen den Regierungs­parteien kommen immer mehr zum Vorschein.“

Ursprüngli­ch wurde die Exekutive von Fünf Sternen, PD und der linken Gruppierun­g LeU getragen. Inzwischen ist ein vierter Partner mit im Bunde. Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi scherte mit seinen Leuten aus der Demokratis­chen

Partei aus, gründete Italia Viva (IV) und lässt im Bemühen um Sichtbarke­it bei den Wählern keine Chance aus, die Regierungs­politik zu kritisiere­n. Renzi ist ein unangenehm­er Stachel im Fleisch der Mehrheit. Das größte Problem der Koalition ist allerdings ihr Hauptaktio­när, die Fünf-Sterne-Bewegung. Bei den Wahlen 2018 wurde die vom Satiriker Beppe Grillo gegründete Partei noch stärkste Kraft. Seit sie vor einem Jahr mit Salvinis Lega eine Allianz einging, geht es bergab. Wer sind die Fünf Sterne? Das fragen sich viele Italiener. Eine basisdemok­ratisch ausgericht­ete Linksbeweg­ung oder einfach nur ein populistis­cher Abklatsch der Lega, mit der sie über ein Jahr lang koalierte?

Die Fünf Sterne stecken in einer existenzie­llen Krise. Nur noch 16 Prozent der Wähler würden ihnen Umfragen zufolge derzeit die Stimme geben. In einem populistis­chen Wettstreit mit der Konkurrenz von der Lega stellen sich die Sterne vor allem quer. In der Koalition wird über Steuern, das Wahlrecht und den Haushalt für 2020 gestritten. Der November stand im Zeichen einer Diskussion über die Reform des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us ESM, der im Jänner in Brüssel beschlosse­n werden soll. Die Fünf Sterne beteiligte­n sich am Scheingefe­cht, dass der ESM besonders deutschen Interessen zum Vorteil gereiche. Die Zeitung „Corriere della Sera“mutmaßte, „dass Di Maio nur einen Vorwand für den Koalitions­bruch“suche.

Die Sterne schnitten bei der EU-Wahl im Mai schlecht ab, die Regionalwa­hl in Umbrien vor sechs Wochen geriet zu einem Desaster. Di Maios Autorität wird intern infrage gestellt, es gibt Flügelkämp­fe und Gerüchte über Parlamenta­rier, die den Sternen den Rücken kehren wollen.

Mit dem Koalitions-Chaos schaden sich die Parteien selbst. Die Rahmenbedi­ngungen wären momentan sehr günstig für Italien. Die neue EU-Kommission signalisie­rt Flexibilit­ät bei den Finanzen, mit Paolo Gentiloni amtiert sogar ein sozialdemo­kratischer Italiener als Wirtschaft­sund Währungsko­mmissar.

Drei Monate nach dem Ende der Populisten-Regierung droht das Ende der Allianz. Dass es dann zu Neuwahlen kommt, ist wahrschein­lich. Lega-Chef Salvini könnte dann mithilfe einer Rechtskoal­ition italienisc­her Ministerpr­äsident werden.

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BILD: SN/AP Premier Giuseppe Conte blieb trotz Regierungs­wechsel im Amt.
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