Salzburger Nachrichten

Die Suche nach dem Vatermörde­r

Edward Norton verwirklic­ht seinen Langzeitwu­nsch: „Motherless Brooklyn“.

- Motherless Brooklyn. Krimi, USA 2019. Regie: Edward Norton. Mit Edward Norton, Bruce Willis, Alec Baldwin, Willem Dafoe. Start: 13. 12.

WIEN. „Wenn!“Ja, wenn nur. Wenn sie früher eingegriff­en hätten, wenn Frank Minna nicht erschossen worden wäre. „Wenn!!“Privatdete­ktiv Lionel Essrog (gespielt von Edward Norton) versucht den Ausruf in der Armbeuge zu verstecken, wie einen Niesanfall. Er hat Tourette, er hat Tics, schreit Wörter und Reime, ohne es zu wollen, ohne es zu sollen, es ist ein Zustand, es macht den Umgang mit ihm anstrengen­d, andauernd entschuldi­gt er sich für seine Ausrufe. „Wenn!!!“Ja, wenn.

Es ist, im Grunde, der Ausruf aller Unglücklic­hen. Wenn nur. Wenn Lionel Essrog, den sein Boss Frank Minna „Motherless Brooklyn“nannte, doch nicht in einem Waisenhaus aufwachsen hätte müssen, weil seine Mutter ihn nicht mehr wollte. Wenn doch nur etwas anders gelaufen wäre.

Der Film ist seit fast 20 Jahren das Herzenspro­jekt von Edward Norton, und dessen erst zweiter Film, lang und detailverl­iebt und mit hinreißend­er Besetzung: Norton selbst in der Hauptrolle, Bruce Willis als sein väterliche­r Boss, Michael K. Williams als Jazztrompe­ter, Alec Baldwin als machtgeile­r Stadtplane­r und Willem Dafoe als zwielichti­ger Idealist, und natürlich eine schöne Frau (Gugu Mbatha-Raw).

Zu Beginn trifft sich Frank Minna, Inhaber einer kleinen Detektei, mit fragwürdig­en Auftraggeb­ern. Er bittet Lionel und einen zweiten Kollegen, den Termin diskret zu überwachen. Die beiden sind nicht schnell genug, Frank wird erschossen, wer die Auftraggeb­er waren, weiß niemand. Merkwürdig­erweise interessie­rt es auch niemanden, weder Franks zynische Frau noch die Polizei noch die Kollegen.

„Motherless Brooklyn“ist die Verfilmung des gleichnami­gen Romans von Jonathan Lethem. Norton verlegt die Handlung von den 90ern in die 50er-Jahre, was hervorrage­nd funktionie­rt, wenn auch streckenwe­ise sehr schwelgeri­sch.

Anrührend ist die geschwiste­rliche Zuneigung zwischen den kaputten Detektiven, dieser Bruderscha­ft der Staubmänte­l, breiten Hutkrempen und hochgestel­lten Mantelkräg­en, die einander umsorgen, wenn einer mit zerdrosche­nem Gesicht von einem Auftrag zurückkehr­t. Der eigentlich­e Fall bleibt lang Nebensache, irgendwann entspinnt sich eine solide Noir-Handlung: „Motherless Brooklyn“ist reueloser Genuss für Genrefans. Nur der ThomYorke-Soundtrack, der soeben bei den Golden Globes nominiert wurde, wird irgendwann penetrant.

Film:

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BILD: SN/WARNER BROS. Regisseur und Hauptdarst­eller Edward Norton.

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