„Glyphosat-Verbot ist realistischer geworden“
Eine Umsetzung bereits mit 1. Jänner ist in Österreich gescheitert. Und doch sieht Europarechtsexperte Obwexer die Chancen jetzt weit besser.
SALZBURG. Eigentlich hätte das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in Österreich bereits in drei Wochen von den Feldern verbannt sein sollen: Im Juli hatte der Nationalrat ein Verbot mit 1. Jänner 2020 beschlossen. Jetzt heißt es: Zurück an den Start. Der könnte diesmal aber besser gelingen, meint Europarechtler Walter Obwexer.
Am Mittwoch startete Österreich den zweiten Versuch, nachdem das erste Glyphosat-Verbot wie berichtet an einem Formalfehler gescheitert ist. Das EURecht nämlich sieht vor, dass bei einer Gesetzesänderung, die europaweite Regeln betrifft, bereits der Entwurf nach Brüssel zur Notifizierung geschickt werden muss. Das Glyphosat-Verbot aber geht nicht wie sonst üblich auf einen Entwurf eines Ministeriums zurück. Es wurde nach dem Platzen der Regierung in Folge der Ibiza-Affäre im Nationalrat auf einen Initiativantrag der SPÖ im freien Spiel der Kräfte und im tobenden Wahlkampf gleich beschlossen. So kam nicht der Entwurf, sondern schon das Gesetz nach Brüssel. Die EU stellte sich auf den Standpunkt, zur Sache selbst gar nicht Stellung zu beziehen, sondern wies wegen des Formfehlers auf ein mögliches Strafverfahren hin. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein entschied nach einem Rechtsgutachten, von einer Kundmachung des Glyphosat-Verbots abzusehen und so die Umsetzung zu stoppen.
Ob peinliche Panne oder grober Fehler – in zwei neuen Anträgen versuchte die SPÖ am Mittwoch das Glyphosat-Verbot neu auf Schiene zu bringen. Im ersten wird die Bundeskanzlerin aufgefordert, den Entwurf des Verbots an die EU weiterzuleiten. Der zweite ist wortgleich mit dem vom Juli und sieht ein Verbot im Sinn des „Vorsorgeprinzips“vor, um die Gesundheit der Österreicher zu schützen. Allerdings soll das Gesetz nicht beschlossen, sondern einem Ausschuss zugewiesen werden, es ist damit ein Entwurf.
Obwexer hält die Vorgehensweise für EU-rechtskonform. Dennoch sei ein Verbot von Glyphosat nur in Österreich schwierig. Die EU hat die Zulassung des Wirkstoffs erst 2017 verlängert – bis 2022. Nationale Alleingänge seien nur möglich, wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt oder ein Land stärker betroffen ist als andere. Österreichs Chancen sieht Obwexer heute dennoch „weit realistischer“. Das liege an der EU. Die neue Kommission unter Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft bis 2030 halbieren zu wollen. In einer Stellungnahme, die die EU binnen drei Monaten abgeben muss, könne sie etwa darauf hinweisen, selbst ein Glyphosat-Verbot zu planen, sagt Obwexer. Oder ein Verbot in Österreich unter Bedingungen erlauben.
Die Bauern sind erleichtert, für eine Umstellung auf „glyphosatfrei“zumindest mehr Zeit zu haben. Die Aussaat für 2020 ist lang geplant. Auch die Uni für Bodenkultur und die Agentur für Ernährungssicherheit AGES kamen in einer Studie zum Schluss, dass eine massive Einschränkung von Glyphosat sinnvoller wäre als ein sofortiges Verbot.