Salzburger Nachrichten

Hunderttau­sende Internetnu­tzer haben etwas zu verbergen

Seit fünf Jahren gibt es das „Recht auf Vergessenw­erden“: Seitdem verlangt alle drei Minuten ein User, dass Google ein Suchergebn­is löscht. Doch beileibe nicht jeder Antrag ist erfolgreic­h.

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SALZBURG. Das Internet vergisst nicht. Dieser Leitsatz hat eine ganze Generation von Webnutzern begleitet. Wer nicht verhindern konnte, dass ein feuchtfröh­liches Partyvideo, ein kritischer Blogbeitra­g oder ein peinliches Foto aus Jugendtage­n ins Netz gewandert ist, musste damit leben, dass ihn Video, Beitrag oder Foto verfolgen. Denn selbst wenn man die ursprüngli­che Quelle entfernen lassen konnte, war die Gefahr groß, dass der Inhalt irgendwo anders im Netz zu finden blieb.

Doch 2014 änderte sich diese Grundlage. Ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs gab Personen das Recht, bei Google, Bing etc. zu beantragen, dass Suchergebn­isse entfernt werden. Der Inhalt ist dann zwar noch online. Aber da er nur schwer gefunden werden kann, verpufft seine negative Wirkung.

Wie ist es fünf Jahre nach dem EuGH-Entscheid um das sogenannte Recht auf Vergessenw­erden bestellt? Wird es immer noch eingeforde­rt? Und war das Recht tatsächlic­h eine Zensur in der Web-Welt?

Seit dem Urteil 2014 haben bei Google rund 868.000 Menschen beantragt, 3,4 Millionen Links löschen zu lassen. Auch in jüngster Vergangenh­eit gab es im Schnitt immer noch grob 10.000 neue Anträge monatlich. Dies geht aus dem Transparen­zbericht des IT-Riesen hervor.

Offenbar wollen also immer noch Zehntausen­de Monat für Monat etwas im Netz verbergen lassen. Und einen entspreche­nden Antrag zu stellen ist auch denkbar einfach: Sämtliche relevanten Suchmaschi­nen bieten dafür Onlineform­ulare.

Jenes von Google findet man, wenn man im Netz nach „Google Löschformu­lar“sucht. „Ein Nutzer kann aber ebenso per E-Mail, Fax oder Brief mit Google in Kontakt treten“, schildert Sebastian Riedlmair, Jurist mit Schwerpunk­t IT- und Datenschut­zrecht in einer Salzburger Anwaltskan­zlei. Der Antrag muss etwa ein Dokument beinhalten, das die Person ausweist, und eine Begründung, wieso das jeweilige Suchergebn­is gelöscht werden sollte.

Und was passiert dann? Wie entscheide­t Google, ob dem Antrag gefolgt wird? Auf SN-Anfrage verwies der US-Konzern auf seinen Transparen­zbericht und einen Blogeintra­g von 2017. Auf diesen Seiten schildert Google zum einen, wer sich um die Anträge kümmert – „ein Google-Team aus speziell zu diesem Zweck ausgebilde­ten Prüfern“. Zum anderen skizziert der IT-Riese die Rechtsgrun­dlage, nach der entschiede­n wird: Man müsse dem Ersuchen nachkommen, wenn die betreffend­en Links „unangemess­en, irrelevant, nicht mehr relevant oder übertriebe­n“sind – stets unter Berücksich­tigung des öffentlich­en Interesses an einem Suchergebn­is.

In der Praxis lösche Google in zweierlei Fällen, schildert Riedlmair. Zum einen, wenn der Link offensicht­lich gegen die Google-eigenen Regeln verstoße. Zum anderen, wenn es sich „um eine unschwer zu erkennende Rechtsverl­etzung“handle. Bei strittigen Fällen empfehle der US-Konzern indes, sich direkt mit dem Urheber des beanstande­ten Inhalts in Verbindung zu setzen. Und sollte das nichts bringen, sich an die Behörden bzw. ein Gericht zu wenden. „Und erst wenn die Gerichtsen­tscheidung nachgereic­ht wurde, löscht Google.“

Allgemein sei der IT-Riese eher „auf der passiven Seite“, was Löschanträ­ge angehe. Google selbst weist aus, dass man seit 2014 46 Prozent aller Anfragen nachgekomm­en sei. Und Google schildert auch, welche Plattforme­n oft mit aus dem Suchindex gelöschten Seiten leben müssen. In Österreich sind das vor allem Social-Media-Portale wie Facebook oder Personen-Suchen wie Yasni – aber ebenso meinbezirk.at. In der juristisch­en Praxis gebe es zudem öfters Klienten, die Kritiken zu einem Hotel, einer Firma etc. entfernen lassen wollen. „Das ist auch möglich“, schildert Riedlmair. Aber es brauche eine entspreche­nde Grundlage, etwa, dass die Bewertung nachweisli­ch gefälscht ist.

Wer unliebsame Inhalte löschen lassen will, sollte aber auch den Seitenbetr­eiber direkt kontaktier­en, empfiehlt Riedlmair. „Dann schaffen Sie es vielleicht, die Wurzel des Postings zu zerschneid­en – und nicht nur die Auffindbar­keit via Google.“Zumal Google laut einem Urteil vom September nicht verpflicht­et sei, das Suchergebn­is weltweit zu löschen: „All jene, die außerhalb der EU googeln, finden den strittigen Eintrag weiterhin.“

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BILD: SN/STOCK.ADOBE/JUSTIN/JAMESBIN/ MONTAGE: DOPSCH Seit 2014 ist es möglich, bei Google zu beantragen, dass ein Suchergebn­is gelöscht wird.

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