Das Königreich ist gespalten
Der britische Premierminister Boris Johnson leitet das Ausscheiden seines Landes aus Europas Union ein – und zerrt zugleich am Zusammenhalt der britischen Union.
Die Bruchlinien sind seit dem EU-Referendum 2016 sichtbar, durch den Ausgang der jüngsten Unterhauswahl sind sie noch verstärkt worden: England bildet, mit der Ausnahme der Metropole London, einen Brexit-Block. Wales ist gespalten. Das EU-freundliche Schottland ist gegen einen Brexit. Die Schottische Nationalpartei (SNP) hat groß gewonnen mit dem Versprechen, nach 2014 neuerlich ein Referendum über eine Unabhängigkeit von London abzuhalten. Auch Nordirland hat keine Mehrheit von Brexit-Befürwortern. Die republikanischen Parteien, die zur Vereinigung mit der Republik Irland tendieren, sind zuletzt stärker geworden als die probritischen Parteien.
Man sieht daran, dass es schon immer falsch gewesen ist, Großbritannien als Nationalstaat zu bezeichnen. Viel eher ist es ein Mehr-NationenStaat. Der Brexiteer Johnson steht jetzt vor der Aufgabe, die Einheit des Königreichs zu bewahren. Ein striktes Nein zu einem neuen Referendum wird den Drang der Schotten weg von London aber nur verstärken. Die durch Madrids Unnachgiebigkeit bewirkte Zuspitzung des Katalonien-Konflikts müsste dem britischen Premier eine Lehre sein. Die Schotten wollen eine möglichst enge Verbindung zur EU beibehalten. Man müsse das Rettungsboot fertig machen, „das uns vor der Gefahr des Brexit in Sicherheit bringt“, heißt es bei der in Edinburgh regierenden SNP.