Kerzen für einen Krüppel und eine stille Nacht
Die Attraktionen des Advents – die sanften Kerzen sind längst ausgetauscht gegen blinkende Lichterketten – sind bald überstanden. Hell erleuchtet breiten sie sich – unvermeidbar auf allen Wegen – über die Stadt aus, wie Metastasen – nach Glühwein und nach billigen Süßigkeiten riechend – wuchern sie auf allen Plätzen. Aber ist eh bald vorbei. Heißa, dann ist Weihnachtstag. Mir fällt zu Weihnachten seit Längerem nichts ein. Nichts mehr über Weihnachten. Kein Gedanke. Kein Wort. Ist ja eh alles schon weihnachtlich in jedem Supermarkt seit ungefähr Herbstbeginn. Gefühlt ist das Fest seit Langem erledigt, nur der Baum halt noch nicht. Für einen schwachen Moment dachte ich über einen lebendigen Baum nach. Klimaschutz, wissen Sie. Aber der hätte dann wieder Wasser gebraucht, das ich sonst nicht brauche. Ein Teufelskreis. Also lasse ich die Menschlichkeit wieder über den Umweltschutz siegen. Beim Baum, da bin ich – ist ja schließlich auch die Zeit des Mitgefühls und es wird ja so viel schön geredet von der Nächstenliebe und Empathie und Migrationspaketen und, und, und –, also beim Baum, dem Zentrum der Feierlichkeiten, da bin ich von ungeheurer Demut erfasst, von Gnade erfüllt. Da warte ich auf den letzten Tag und erbarme mich dann im Tannenland eines Krüppels. So ein Krüppel, gestrandet am Stahlzaun des Baumfriedhofs, bringt ja auch Licht ins Dunkel. Kommt ja nicht darauf an, wie etwas gebaut ist. Es kommt darauf an, mit wie vielen Lichtern man das Verkrüppelte, das Ausgestoßene so zum Glänzen bringt, dass alles schön blendet.