Ihr Aussitzen hat sich gelohnt
KHM-Direktorin Sabine Haag hat Demütigungen mit Grandezza erwidert.
Ein von politischem Taktieren und karriereoptimierendem Poker bedingtes Interregnum in Österreichs größtem Bundesmuseum geht zu Ende: Sabine Haag bleibt bis 2024 Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums.
Alexander Schallenberg als Kulturminister der Übergangsregierung begründete diesen Beschluss am Freitag per Presseaussendung damit, dass Sabine Haag „als bestgeeignete Kandidatin aus den Hearings hervorgegangen“sei. Das macht stutzig. Denn sie hatte sich ja schon im Juni 2017 um die turnusmäßige Verlängerung ihrer 2008 begonnenen Tätigkeit an der Spitze des Kunsthistorischen Museums (KHM) beworben. Warum war sie
„Der erfolgreiche Weg der letzten elf Jahre wird fortgeführt.“
vor zwei Jahren nicht „bestgeeignet“? Damals war ein anderer Minister: Thomas Drozda (SPÖ). Dass der den Leiter der Uffizien in Florenz, Eike Schmidt, ihr vorzog, soll Sabine Haag kurz und bündig im Urlaub per Telefon erfahren haben.
Dabei hatte es bis dahin an ihrer Amtsführung nichts zu tadeln gegeben. Es ist auch zu vermuten, dass ihre Bewerbung um Vertragsverlängerung nicht ohne Kenntnisnahme – oder gar Ermunterung – durch Minister Drozda erfolgt sein dürfte. Und Eike Schmidt kündigte an programmatischen Grundzügen nur an, was Sabine Haag längst umgesetzt hatte, etwa das Einbinden zeitgenössischer Kunst ins Kunsthistorische. Trotzdem: Die damals 55Jährige bekam den Laufpass, dazu als Trostpflaster den ehrenamtlichen Vorsitz der österreichischen UNESCO-Kommission; diesen wird sie übrigens zumindest, wie vereinbart, bis Ende 2020 weiterführen.
Weil Eike Schmidt erst im November 2019 antreten sollte, blieb nach dem regulären Vertragsende Sabine Haags per Ende 2018 ein zehnmonatiges Loch. Obwohl dies seit Herbst 2017 klar war, blieb Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) untätig und ließ die Leitung des Komplexes aus Kunsthistorischem Museum, Theatermuseum, Weltmuseum, Schatzkammer, Wagenburg und Schloss Ambras im Unklaren. Erst am 19. Dezember 2018 gab er bekannt, dass Sabine Haag zwölf Tage später bitte schön als interimistische Leiterin bleiben solle.
Derweil fuhr sie mit der bis Jänner 2019 dauernden Bruegel-Schau einen 400.000er-Rekord ein: die höchste je in einer KHM-Ausstellung erreichte Besucherzahl. Und sie legte einen Joker nach dem anderen hin: Wes Anderson als Kurator, Mark Rothko für eine Retrospektive und derzeit Caravaggio & Bernini. Der nächste Coup ist vorbereitet: Ab März 2020 wird das KHM mit dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde das Beethoven-Jahr feiern – mit Werken von Caspar David Friedrich, William Turner, Francisco de Goya, Anselm Kiefer, Jorinde Voigt, Auguste Rodin, Rebecca Horn und John Baldessari.
All die Demütigungen ihrer Nicht-Verlängerung – für sie wie für die Institution des KHM-Museumsverbandes
– bedenkend, ist zu verstehen, dass sie ab 19. Oktober 2019 auf die Frage, ob sie sich in der soeben lancierten Ausschreibung der Generaldirektion bewerbe, nur noch schwieg.
Gut zwei Wochen zuvor hatte ihr designierter Nachfolger Eike Schmidt einen Haken geschlagen: Er tat Anfang Oktober kund, was in Medien mehrmals als Gerücht kursiert, von ihm aber jedes Mal dementiert worden war: Er bleibe in Florenz. Die ihm dafür in Österreich angehängte schlechte Nachrede ist längst nicht verstummt. Er muss angeblich 40.000 Euro Schadenersatz für die wegen seiner plötzlichen Absage nötig gewordene neue Ausschreibung berappen.
Auch Eike Schmidts Schwenk war von einem Ministerwechsel begleitet: Nach einem Zwischenspiel von Alberto Bonisoli (Fünf Sterne) kehrte Dario Franceschini als Italiens Kulturminister zurück, der Eike Schmidt 2015 in den Florentiner Tanker geholt hatte. Der hatte dort mit famoser Verve Reformen angepackt – Kassen, Restaurierungen, Sonderprojekte. Kein Wunder: Nach seiner Absage in Wien verlängerte Franceschini Eike Schmidts Vertrag in Florenz um vier Jahre.
Sabine Haag kommentierte ihre Wiederbestellung mit Grandezza. „Ich freue mich sehr über die Bestellung zur Generaldirektorin des KHM-Museumsverbands für weitere fünf Jahre“, gab sie bekannt. „Es ist nicht nur eine große Ehre und persönliche Auszeichnung, sondern bestärkt unsere gemeinsame Geschäftsführung (mit Paul Frey, Anm.).“Es gebe weitere Projekte in Hinblick auf die Besucher, „die sich täglich an unseren Sammlungen von Weltrang erfreuen“.