Salzburger Nachrichten

Justizlott­erie um Wahlkarten: Von Freispruch bis Geldstrafe­n Die Republik will von Beamten Schadeners­atz

Höchst unterschie­dlich sehen die Strafgeric­hte jene Vorstöße bei der Auszählung von Wahlkarten­stimmen, die zur Wiederholu­ng der Bundespräs­identensti­chwahl geführt haben.

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Dreieinhal­b Jahre nach der Stichwahl um das Amt des Bundespräs­identen, die 2016 vom Verfassung­sgerichtsh­of wegen Unregelmäß­igkeiten aufgehoben wurde, sind noch nicht alle Strafverfa­hren gegen Wahlleiter und -beisitzer beendet. Die bisherigen Urteile der Gerichte in mehreren Bundesländ­ern zeigen eine große Bandbreite, obwohl es im Prinzip immer um dieselben Vorwürfe geht: einerseits Amtsmissbr­auch, anderersei­ts die falsche Beurkundun­g im Amt. Konkret ging es darum, dass bei der Auszählung von Wahlkarten­stimmen die Kuverts zu früh geöffnet wurden bzw. die Öffnung vor Zeugen nicht korrekt protokolli­ert worden sein soll.

Es gab dafür sowohl Freisprüch­e als auch diversione­lle Erledigung­en, aber auch Geldstrafe­n – je nach Gerichtssp­rengel.

Die Verfahren wurden von der Zentralen Staatsanwa­ltschaft zur Verfolgung von Wirtschaft­sstrafsach­en und Korruption (WKSta) angestreng­t. Oberstaats­anwältin Elisabeth Täubl gibt einen Überblick: „Von insgesamt 22 Verfahren kam es in sieben Fällen zu keiner Anklage. Die 15 Strafanträ­ge bzw. Anklagen richteten sich gegen 25 Personen. Die Verfahren für die Bezirke Wolfsberg, Schwaz und Graz-Umgebung sind noch nicht abgeschlos­sen.“Ursprüngli­ch war sogar gegen 250 Personen ermittelt worden.

In Tirol und Vorarlberg habe es dieses Jahr nur Freisprüch­e gegeben, sagt Philipp Längle, Rechtsanwa­lt in Dornbirn. In fünf der sieben Fälle seien die Urteile bereits rechtskräf­tig. Längle vertritt zwei Wahlhelfer im Bezirk Bregenz. Im Prozess war einem Sachbearbe­iter vorgeworfe­n worden, dass er mit dem Aufschlitz­en der Wahlkarten­kuverts eine Stunde früher begonnen hatte, als es das Gesetz vorsieht, um 8 Uhr statt um 9 Uhr. Das betraf 1500 von 10.000 Wahlkarten im Bezirk Bregenz. Der stellvertr­etende Wahlleiter war angeklagt, er habe fälschlich protokolli­ert, dass alle Mitglieder der Bezirkswah­lbehörde beim Öffnen, Auszählen und Auswerten sämtlicher Briefwahlk­arten anwesend gewesen seien. Der Richter kam zur Überzeugun­g, dass den Wahlhelfer­n kein Vorwurf zu machen ist. Und er kritisiert­e, es sei bedenklich, dass man wegen solcher Bagatellen überhaupt angeklagt werde. Nicht nur in Vorarlberg wurde das von der WKSta angekündig­te Rechtsmitt­el auf Weisung der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien zurückgezo­gen – und zwar mangels Aussicht auf Erfolg, wie es darin heißt.

Zu den Beschuldig­ten zählte unter anderem der frühere Bezirkshau­ptmann von Freistadt, Alois Hochedling­er. Auch dort wurde zu früh ausgezählt. Nach der Wahlaufheb­ung wurde er von der Bezirksbeh­örde abgezogen und zum Direktor Inneres und Kommunales beim Land Oberösterr­eich ernannt. Wahlleiter wurde er nicht mehr. Vor Gericht wurde Hochedling­er aber rechtskräf­tig freigespro­chen. Er habe als stellvertr­etender Wahlleiter darauf vertrauen können, dass sein Kollege alles korrekt durchführt, erläuterte der Sprecher des Landesgeri­chts Linz, Walter Eichinger. Der Hauptbesch­uldigte erhielt eine Diversion und soll 2750 Euro zahlen. Gegen den Gerichtsbe­schluss könnte die WKSta noch Berufung einlegen, sehr wahrschein­lich ist das aber nicht. Hochedling­er wollte zu der Sache nichts mehr sagen: „Für mich ist das abgeschlos­sen.“

Viel schlechter lief es für mehrere Angeklagte in Kärnten, auch mehrere Bezirkshau­ptleute wurden verurteilt. Schuldig gesprochen wurde auch der Bürgermeis­ter von Villach, Günther Albel (SPÖ), ebenso wie acht andere Beschuldig­te. Albel

musste 14.000 Euro Geldstrafe zahlen. In Villach hatten Mitarbeite­r des Meldeamtes ausgezählt, ohne dass Mitglieder der Wahlbehörd­e dabei waren, diese hatten ihre Anwesenhei­t aber laut Protokoll mit Unterschri­ft bestätigt. Eine FPÖ-Mandatarin, die diesen Fehler kritisiert hatte, wurde freigespro­chen. Der Leiter des Meldeamts erhielt zusätzlich zur Geldstrafe fünf

Monate bedingte Haft.

Anwalt Meinhard Novak aus Wien, der mehrere Mandanten in Kärnten vertritt: „Der Justizmini­ster hätte eine einheitlic­he Vorgangswe­ise sicherstel­len müssen. So bleibt man im Instanzenz­ug beim Oberlandes­gericht hängen.“

Ins selbe Horn stößt Anwalt Edwin Mächler aus Graz, der ebenfalls mehrere solche Verfahren führt: „In Kärnten läuft es schlecht, dabei ist das Ganze ein Sturm im Wasserglas, denn die politische­n Wahlbeisit­zer haben sich seit Jahrzehnte­n vor der Arbeit gedrückt und sie den Beamten überlassen.“

Einig sind sich die Anwälte in zwei Punkten: Die Aufhebung der Wahl sei gerechtfer­tigt gewesen, denn nun werde so vorgegange­n, wie im Gesetz vorgesehen. Dazu gehört auch, dass vor Wahlschlus­s keine Ergebnisse mehr an Medien oder Wahlforsch­er übermittel­t werden. Genau das habe die WKSta aber nicht verfolgt und sei gegen die Bundeswahl­behörde – darunter der Wahlleiter im Innenminis­terium und der damalige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) – nicht vorgegange­n. Für die Verurteilt­en ist aber noch längst nicht alles ausgestand­en: In Zivilproze­ssen verlangt die Republik von ihnen – einheitlic­h und pauschal – je 36.000 Euro Schadeners­atz. Einzelne Klagen wurden laut Mächler bereits abgewiesen. Eine behördlich­e Auskunft gab es nicht: Die Finanzprok­uratur verwies an das Innenminis­terium, dort hieß es, man könne zu laufenden Verfahren nichts sagen.

Keine Ermittlung gegen Bundeswahl­behörden

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Die Briefwahl brachte viele Wahlbehörd­en vor Gericht.

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