Die Aufholjagd der digitalen Enkel von Zeitung und Radio
Vom Podcast-Boom bis zum E-Paper-Trend: Es gibt auch Hoffnungstechnologien für die professionelle Informationsvermittlung.
Fernsehen ist nicht tot. In seiner Übersetzung zur Nahsicht aufs Bewegtbild wirkt es lebendiger denn je. Wenn auch bei Machern visueller Medien Endzeitstimmung herrscht, liegt das an mangelnden Geschäftsmodellen abseits von Influencern, Streaming-Diensten und Pay-TV. Das gilt vor allem für vertrauenswürdige journalistische Information via Bildschirm.
Eine solch paradoxe Infragestellung – mehr Seher, aber weniger Einnahmemöglichkeiten – droht auch dem Radio. Im Schatten der Medienkrise ist es hierzulande ein verlässlicher Geldbringer geblieben. Wohl vor allem deshalb, weil die meisten Sender sich nahezu ausschließlich über Musik definieren, während klassische Nachrichten noch hinter der Verkehrsinformation rangieren.
Jedenfalls ist Ö3 weiterhin die Cashcow, als die es der heuer verstorbene Gerhard Weis einst als ORF-General bezeichnet hat. Und die Privatradios freuen die Kaufleute der dahinterstehenden Medienhäuser. Doch auch dem Hörfunk droht Ungemach von der Technologiefront. Denn die Zahl der Podcast-Nutzer ist innerhalb eines Jahres von einem Viertel auf ein Drittel der Österreicher gestiegen. Und im Gegensatz zum parallel genutzten Zweit-, Drittund Viertbildschirm vertragen Ohren kaum mehrere Klangquellen gleichzeitig.
Anders als die früh absehbare TV-Entwicklung ist der Podcast-Boom eine Überraschung. Noch verblüffender erscheint aber der Aufwind für E-Paper – der Zeitung in ihrem ureigenen Design für Flatscreen bis Smartphone. Der deutsche Verlegerverband jubelt, dass sie bereits ein Zehntel der Gesamtauflage ausmache. In Österreich sind es infolge rasanten Wachstums acht Prozent: 130.000 der täglich 1,54 Millionen verkauften Exemplare. Das ist deshalb erstaunlich, weil Internetpioniere vor 20 Jahren behauptet hatten, diese Übersetzung der Blätter ins Netz sei vorsintflutlich.
Podcast-Boom und E-Paper-Trend entstehen aus einem Aufbäumen für Ordnungsprinzipien der Informationsaufnahme. Das reicht von der unübertroffenen Zeitungsseite bis zur ununterbrochenen Radiosendung. So wie das Prinzip Netflix eher ruhigem Heimkino als dem Tempo von Mainstream-TV entspricht. Diese Entschleunigung gilt es zu beachten, um den Überraschungserfolg von Podcast und E-Paper in Geschäftsmodelle zu verwandeln. Unterbrecherwerbung ist out. Ansonsten gibt es neben dem puren Abomodell viele Chancen zur Werbefinanzierung, sobald ein Angebot regelmäßig Massenpublikum erreicht oder spezielle Zielgruppen hinreichend erfasst. Wenn die Inhaltsschöpfer das schaffen, ist für die Kaufleute vom Gratis- bis zum Hochpreisangebot wieder alles machbar. Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.