Diese Retter schickt der Himmel
Viel Schnee und perfekte Bedingungen locken Jahr für Jahr Tausende Wintersportler in die Berge. Und was ist, wenn etwas passiert? Dann steht bei Bedarf ein dichtes Netzwerk an Helfern parat – schnell und effizient.
SALZBURG. Geht ein Notruf ein, wird der Stützpunkt der Flugrettung blitzartig zum „Bienenstock.“In Sekundenschnelle wechselt die Crew, bestehend aus Pilot, Arzt und Flugretter, vom entspannten Standby-Modus auf hundertprozentige Konzentration. Innerhalb von drei Minuten ist der Helikopter in der Luft und das Rettungsteam auf dem Weg zu einem Skiunfall. Es ist so weit: Einen jungen deutschen Skifahrer plagen nach einem Sturz starke Schmerzen in der Hüfte. Die Pistenrettung ist bereits vor Ort.
Besonders an sonnigen Wintertagen und während der Ferienzeiten ist die Flugrettung im Dauereinsatz. In Salzburgs Bergen steht dafür ein dichtes Netz ehrenamtlicher und professioneller Helfer von Flugund Bergrettern bereit.
Aus Patientenperspektive hat Salzburg ein Rettungsnetz, das zu den besten der Welt gehört. Die gute und rasche Versorgung durch ein Netzwerk an Experten in Österreich zeigt gerade bei Schwerverletzten im alpinen Bereich – im Vergleich zu vielen anderen Ländern – eine gute Überlebenschance mit weniger Komplikationen.
Rund 370 Notrufe gehen im Schnitt an einem Wintertag an den zwei Standorten der Rotkreuzleitstellen in Salzburg (Nord) und Zell am See (Süd) ein. In der vergangenen Wintersaison galt es für die Mitarbeiter an diesen beiden Standorten pro Tag durchschnittlich 2400 Anrufe zu bewältigen.
„Wir stellen als Erstes den genauen Standort des Anrufers fest“, sagt Ralph Platzer, der Leiter der Leitstelle Süd. Ein nicht unwesentliches Detail, denn immerhin 20 bis 30 Prozent der Anrufer wissen nicht, wo sie sich befinden. Diese Positionsbestimmung von Anrufern bei Nutzung einer Notrufnummer (133, 144, 140) erfolgt über Advanced Mobile Location (ALM). „Das funktioniert derzeit allerdings nur bei Android-Smartphones, die automatisch die Positionsdaten übermitteln. Wenn das nicht der Fall ist, helfen wir uns auch häufig über WhatsApp weiter und können so innerhalb weniger Minuten die genauen Standortdaten ermitteln.“Ist der Hilfesuchende ohne Smartphone
unterwegs, wird er dank Beschreibung der Örtlichkeit, manchmal mit Unterstützung der Bergrettung, lokalisiert. Aufgrund der Angaben des Hilfesuchenden entscheidet der Disponent der Leitstelle, welches Rettungsmittel zum Einsatz kommen soll. „Das ist natürlich von den Verletzungen abhängig. Auf Skipisten unterstützen uns dabei die Pistenretter“, so Platzer.
Bei starken Schmerzen in Hüften, bei Oberschenkelfrakturen oder bei Bewusstlosigkeit wird zumeist ein Rettungshubschrauberteam angefordert.
Wenige Minuten später kann der verletzte deutsche Skifahrer vom Hubschrauberteam einem Krankenhaus übergeben werden – mit dem Rettungsauto hätte er ins nächste Spital selbst mit Blaulicht mindestens anderthalb Stunden gebraucht. Der Urlauber ist froh über die rasche Versorgung. „Sie schickte der Himmel“, bedankt er sich für die effiziente Schmerzversorgung beim zuständigen Notarzt.
3885 Einsätze dokumentierte die Flugrettung, die vom Roten Kreuz organisiert wird, im vergangenen Jahr. Dass sie so oft zum Einsatz kommt, ist nicht nur der alpinen Landschaft des Bundeslandes geschuldet, die einen Abtransport auf dem Boden oft schwierig und schmerzhaft macht.
Zählt man die Köpfe, nimmt die Zahl der Menschen in Salzburg im Winter die Dimension einer Millionenmetropole an – allerdings mit wesentlich höherem Unfallrisiko.
29,3 Millionen Nächtigungen verzeichnete Salzburg im vergangenen Jahr, der Großteil kommt – mittlerweile auch verstärkt im Sommer –, um Alpinsport zu treiben.
Passiert dann etwas, egal ob auf den Pisten oder im freien Gelände, wollen nicht nur Gäste, sondern auch Einheimische gut versorgt werden. Wie in allen anderen Lebensbereichen gibt es auch im Rettungswesen eine Steigerung des Komfortanspruchs. So gehört zum Fünfsternetourismus eben auch eine entsprechende Versorgung.
Allerdings: Verunglückt ein Alpinist, zahlt seine Krankenkasse keinen Cent für die Rettung. Die Kosten werden Zusatzversicherungen und dem Patienten in Rechnung gestellt. Je nach Einsatzdauer, Materialund Personalaufwand starten sie bei rund 2000 Euro und können schnell in die Höhe schnellen.
Im Extremfall sind Einsatzkosten bis in den fünfstelligen Bereich möglich, der Durchschnitt liegt bei 4000 Euro.
Die mit Abstand größte Gruppe der Geborgenen von Unfällen stammt aus dem Skipistenbereich. Es folgen Skitourengeher sowie Bergsteiger und Bergwanderer, die von den Ausübenden her die größte Anzahl stellen.
Die Statistik der Bergrettung Salzburg zeigt eine jährliche Zunahme der Einsätze, auch jene, die gemeinsam mit Hubschrauberteams geleistet werden. „Wir sind froh darüber“, bringt es deren Landesleiter Balthasar Laireiter auf den
Punkt, „denn gerade während der Spitzenzeiten könnten wir es sonst im Ehrenamt gar nicht bewältigen.“
Deshalb kommen die Freiwilligen der Bergrettung häufig nach Betriebsschluss der Bergbahnen zum Einsatz oder auch während der Nacht, bei Nebel oder Schneefall – vor allem dann, wenn der Hubschrauber nicht fliegen kann.
Immer mehr Einsätze werden abseits der Pisten nötig, Grund: Lawinenabgänge oder Freerider, die sich verirrt haben bzw. in eine alpine Notlage geraten sind.
Viele sind oft ohne Notfallausrüstung und Ortskenntnisse unterwegs, folgen einer verlockenden Spur, landen in einem Graben und stecken fest.
Zuletzt mussten in zahlreichen Wintersportorten Skifahrer bei Dunkelheit und Lawinengefahr von den Bergrettern geborgen werden.
An einen besonders skurrilen Einsatz erinnert sich der Bergrettungschef von Flachau, Lukas Perner:
„Es ging ein Notruf von zwei Teenagern ein, die sich bei ihrer Skiabfahrt in einen Graben verirrt hatten.“Die Mädchen schilderten völlig aufgelöst und nervös, dass sie möglichst rasche Hilfe bräuchten. „Sie haben gemeint, dass wir sie so schnell wie nur möglich retten sollten, denn sie würden zusätzlich von Wildschweinen bedroht.“
Als die Bergretter sie mit Suchhunden endlich gefunden hatten, saßen sie frierend und zitternd in der Nähe eines Hochsitzes, von Wildschweinen war weit und breit keine Spur.
„Wahrscheinlich war es ein Vogel, der sie erschreckt hatte“, mutmaßt Perner, „und als wir sie dann endlich ihren Eltern übergeben konnten, wurden sie äußerst heftig geschimpft.“Und weiter: „Ihre Eltern wussten nämlich gar nicht, dass die Jugendlichen zum Skifahren aufgebrochen waren, denn zu ihnen hatten sie gesagt, sie würden jetzt in die Kirche gehen …“