Haftstrafen für ehemalige Manager der France Télécom
Nach einer Serie von Suiziden von Mitarbeitern des Telekommunikationskonzerns vor rund zehn Jahren verurteilte ein Gericht die damalige Führungsspitze wegen Mobbings.
PARIS. Dieses Urteil ist ebenso beispiellos, wie es der Prozess war: Am Freitag sprach ein Pariser Strafgericht drei frühere Manager des ehemaligen französischen Telekommunikationsunternehmens France Télécom (seit 2013 Orange) wegen Mobbings schuldig. Der einstige Geschäftsführer, Didier Lombard, sein früherer Stellvertreter, Louis-Pierre Wenès sowie der Ex-Personaldirektor Olivier Barberot, bekamen Haftstrafen von zwölf Monaten, davon acht Monate auf Bewährung, und müssen jeweils eine Geldstrafe von 15.000 Euro bezahlen.
Lombards Anwalt Jean Veil kündigte nach der Urteilsverkündung an, in Berufung zu gehen: Es handle sich um eine „völlig demagogische politische Entscheidung“. Vier weitere ehemalige Führungskräfte des Unternehmens wurden wegen Mittäterschaft verurteilt. Auch der heutige Orange-Konzern muss die höchstmögliche Strafe von 75.000
Euro zahlen. Das Gericht folgte mit den – nicht rechtskräftigen – Urteilen den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Erstmals in Frankreich mussten sich Verantwortliche eines börsenotierten Unternehmens wegen systematischen Mobbings, das auf höchster Eben organisiert wurde, vor Gericht verantworten. Dutzende Mitarbeiter des Telekommunikationsriesen
hatten über mehrere Jahre hinweg Suizid begangen und in Abschiedsbriefen oftmals die Praktiken ihres Arbeitgebers angeführt. „Ich nehme mir das Leben wegen France Télécom. Das ist der einzige Grund“, schrieb der Techniker Michel Deparis im Juli 2009, der von „Terror-Management“berichtete. Zwei Monate später reichte die Gewerkschaft SUD als erste Klage ein. Deren Vertreter Patrick Ackermann lobte das Urteil als „großen
Sieg“und „klare Anerkennung der erlittenen Schäden“. Auch wenn die Strafen ein wichtiges Signal seien, blieben sie doch „lächerlich“im Verhältnis zu den erlittenen menschlichen Dramen, sagte hingegen Raphaël Louvradoux. Sein Vater Rémy (56) hatte sich im Jahr 2011 vor einem France-Télécom-Gelände angezündet.
Bei dem Prozess mit 150 Zivilklägern, der von 6. Mai bis 11. Juli dauerte, wurden 39 Fälle von ehemaligen Mitarbeitern verhandelt, von denen sich 19 das Leben genommen haben, zwölf versuchten es, acht erlitten Depressionen und Burnout. Die Strafen bezogen sich allerdings nur auf die Jahre 2007 und 2008, während alle Angeklagten für die Zeit zwischen 2008 und 2010 freigesprochen wurden.
Ab Mitte der 2000er-Jahre hatte die damalige Konzernspitze eine umfangreiche Umstrukturierung mit ehrgeizigen Sparzielen betrieben. So sah der 2006 beschlossene Plan NExT vor, die Zahl der Belegschaft
in drei Jahren von rund 120.000 auf etwa 98.000 Beschäftigte zu reduzieren. 10.000 Mitarbeiter sollten den Posten wechseln. Eine Entlassung war bei vielen nicht möglich, da es sich um Beamte handelte. Also versuchte das Unternehmen, mit gezieltem Leistungsdruck und Zwangsversetzungen Mitarbeiter zur „freiwilligen“Kündigung zu drängen. Laut Richterspruch betrieben die Manager bewusst eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, um diese unerträglich zu machen. Das habe zu einem „Klima der Angst“geführt.
Der Plan NExT sei unerlässlich für das Überleben des Konzerns gewesen, verteidigte sich demgegenüber Ex-Chef Lombard, der laut firmeninternen Aufzeichnungen 2006 gesagt hatte, er werde die anvisierte Zahl von Kündigungen schon durchsetzen – die Menschen würden „entweder durch die Tür oder das Fenster“gehen. Später räumte er ein, es „etwas zu weit getrieben“zu haben.