Wunschzettel an die Politik
ICH bin froh, dass ich kein Politiker bin. Grundsätzlich. Aber in diesen Tagen bin ich besonders froh, kein Politiker der ÖVP oder der Grünen zu sein. Das ist kein Bekenntnis, welcher Partei ich zuneige oder kritisch gegenüberstehe. Es ist aber auch nicht so, dass ich jemals in die Verlegenheit gekommen wäre, eine politische Karriere einzuschlagen, das war nie eine Möglichkeit, die ich in Erwägung gezogen habe.
Ich stimme aber nicht in den Chor jener ein, die Politikern pauschal vorwerfen, sie übten diesen Beruf nur wegen des Geldes aus. Ich glaube das nicht. Ich finde, die meisten Politiker verdienen Anerkennung für ihre Bereitschaft, sich in den Dienst der öffentlichen Sache zu stellen. So wie das die Verhandler von Türkis und Grün in diesen Wochen tun.
Mir tun sie leid. Denn für sie fällt der Weihnachtsurlaub heuer aus. Statt gemeinsame Stunden mit ihren Lieben zu verbringen und Zeit für sich selbst zu haben, müssen sie einen Koalitionsvertrag aushandeln. Statt ein interessantes Buch zu lesen oder schöne Musik zu hören, müssen sie Antworten auf den Klimawandel, die Migration, die Digitalisierung und vieles mehr finden. Dabei dürfte es ziemlich laut knirschen zwischen ÖVP und Grünen, obwohl die beiden farblich so nah beieinander liegen. Wenn man so hört, was Türkise zuletzt an Unfreundlichkeiten über ihr grünes Gegenüber an die Öffentlichkeit dringen ließen, ist von Weihnachtsfrieden am Verhandlungstisch nichts zu spüren.
Ich bin lange genug in meinem Beruf, um zu wissen, dass es beinahe sinnlos ist, sich von Politikern etwas zu wünschen – das funktioniert nicht einmal am Wahltag. Aber weil Weihnachten vor der Tür steht und ich den naiven Glauben habe, dass sich Menschen – sogar Politiker – zum Besseren verändern können, versuche ich es trotzdem.
Ich weiß, dass man sich in der Politik sprichwörtlich nichts schenkt. Ich dachte aber, wir hätten die Zeiten hinter uns, als christlich-soziale Politiker als Kerzelschlucker, sozialdemokratische als Kapitalistenfresser und Grüne als ÖkoTerroristen katalogisiert wurden. Auch wenn in den Attributen heute leicht variiert wird, der Tenor bleibt der gleiche.
Ist es zu viel verlangt, dass uns Politiker mit derart haarsträubendem Unsinn in Ruhe und das Heruntermachen des politischen Gegners oder gar eines möglichen Koalitionspartners sein lassen? Von Anton Kuh gibt es den Satz: „Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich.“Wie viel angenehmer wäre der politische Diskurs, würden Politiker, Kuhs feine Ironie erkennend, das Gegenteil machen und die Wadlbeißerei einstellen? Ich weiß, ein frommer Wunsch. Aber da es in dieser Ausgabe um Vorbilder geht, wäre es doch einen Versuch wert.