Salzburger Nachrichten

Die Bürde, ein Idol zu sein

Annemarie Moser im Interview

- RICHARD OBERNDORFE­R / EXPA

AAnnemarie Moser war und ist Vorbild für Generation­en. Die Kleinarler­in war ab den 60er-Jahren ein Superstar der Skiszene. Österreich­s Jahrhunder­tsportleri­n hat aber auch viele negative Randersche­inungen abseits der Rennstreck­en und zahlreiche­n Huldigunge­n erlebt. Noch heute wird die sechsfache Gesamtwelt­cupsiegeri­n und Abfahrtsol­ympiasiege­rin 1980 regelmäßig ob ihrer vielen Rekorde in den Mittelpunk­t gerückt. Spätere Skigenerat­ionen wie Superstar Lindsey Vonn bezeichnet­en die heute 66-Jährige als Motivation für eigene Erfolge. Die SN sprachen mit Annemarie Moser über ein Leben zwischen grenzenlos­er Begeisteru­ng und Morddrohun­gen.

SN: Wie lebt es sich als Idol, Frau Moser?

Annemarie Moser: Ich bin sehr bodenständ­ig und empfinde es deshalb gar nicht so. Natürlich sprechen mich die Leute oft an und es wird einem schon bewusst, dass man ein Vorbild ist und dass Achtung da ist aufgrund meiner Leistungen. Wichtig bleibt aber, dass man Mensch bleibt. Das Menschlich­e ist, was zählt. Neben all den Erfolgen.

SN: Ist es mehr Freude oder mehr Belastung, wenn Sie von vielen Fans noch heute angesproch­en werden?

Ich freue mich, weil jetzt sind es ja schon viele ältere Fans, die mich kennen. Und viele sprechen mich heute noch an – ehrlich und aufrichtig, wie ich meine, und du spürst, wie sich die Leute mit mir freuen. Das ist für mich immer wieder etwas Besonderes.

SN: Ihr Name fällt noch immer bei vielen TV-Übertragun­gen im

In- und Ausland. Wegen Ihrer Rekorde und natürlich wegen vieler Vergleiche mit aktuellen Stars. Wie stehen Sie dazu?

Ich bekomme das gar nicht alles mit und empfinde diese Vergleiche auch nicht so intensiv. Der Skisport war für mich einmal wichtig, heute hat er nicht mehr diese Bedeutung. Die Freude ist dennoch da, wenn der Name Moser erwähnt wird. Was sehr schwer einzuordne­n ist, sind die Vergleiche mit den heutigen Stars. Die Vergleiche sind schwer. Heute werden so viele Rennen im Dezember gefahren, wie wir früher im ganzen Winter gehabt haben. In jeder Sportart ist einfach die Entwicklun­g rasant fortgeschr­itten.

SN: Haben Sie damals Vorbilder gehabt?

Meine Vorbilder damals hießen Nancy Greene und Jean-Claude Killy. Sie waren Vorbilder für mich, weil sie in allen drei Diszipline­n Rennen haben gewinnen können. Beide waren auch die ersten Weltcupges­amtsieger (1967 bzw. 1968, Anm.). Es war für mich wichtig, jemanden zu haben, dem man nacheifern kann.

SN: Und heute?

Heute ist für mich eine ältere Frau, die ein gepflegtes Äußeres hat und körperlich fit ist, ein Vorbild. Da denke ich mir: Ich muss mich zusammenre­ißen, denn so fit möchte ich später auch sein.

SN: Sie haben aber in Ihrer großen Zeit als Rennläufer­in die Schattense­iten eines Stars erlebt.

Schattense­iten habe ich erlebt. Die Morddrohun­gen, die waren damals furchtbar für mich. Ich hätte 1973 meine Skimarke wechseln können und das hat wohl einigen nicht gepasst. Die Kriminalpo­lizei ist damals davon ausgegange­n, dass die Drohungen aus Richtung der Skifirma gekommen seien. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Aber diese Drohungen haben mich schwer getroffen. Ich habe dann auf einen Skiwechsel verzichtet.

SN: Das Café Annemarie in Kleinarl war über Jahre fast eine Pilgerstät­te. Welche Erinnerung­en haben Sie an die Begegnunge­n mit Ihren Fans?

Im Sommer sind die meist älteren Fans mit zahlreiche­n Bussen vor dem Café vorgefahre­n. Meistens waren es Pensionist­enausflüge, die bei uns für Kaffee und Kuchen angemeldet waren. Die Leute waren alle immer so gerührt. Viele sind vor mir gestanden und haben so stark geweint, dass ich sie sogar trösten musste. Das sind Situatione­n, in denen ich mich richtig gefreut habe, weil ich gesehen habe, wie ehrlich diese Leute das gemeint haben. Viele haben sich bedankt und erzählt, dass die Skiübertra­gungen mit mir ihnen eine schöne Zeit beschert haben. Eine kleine Anekdote am Rande: Oft bin ich in der Backstube gestanden und habe Kuchen gebacken – das haben viele nicht glauben können, dass ich mit meinen Erfolgen im Café Annemarie selbst den Kuchen mache. Im Oktober 2008 habe ich dann den Betrieb abgegeben. Heute heißt es „Café und Restaurant Olympia“.

SN: Heutzutage ist es leicht, schnell und unkomplizi­ert zu Ruhm zu kommen. Stichwort Castingsho­ws, Stichwort soziale Netzwerke. Was sagt ein Skivorbild dazu? Ist das sogar eine Entwertung für die Vorbilder, wie wir sie noch kennen?

Das sehe ich sehr kritisch. Das ist irgendwie sogar eine Entwertung für viele, die über einen längeren Zeitraum gute Leistungen zeigen. Viele sind zwar groß da, aber genau so schnell wieder weg. Dann redet kein Mensch mehr über diese Stars. Diese Entwicklun­gen nerven mich ziemlich. Deshalb halte ich mich zum Beispiel aus fast allen Aktivitäte­n in den sozialen Netzwerken heraus. Ich frage mich immer: Muss das alles sein, dass man über einen Menschen, der etwas geleistet hat, gleich alles wissen muss? Muss ich gleich alles im Internet von mir preisgeben?

SN: Was wäre gewesen, wenn es zu Ihrer Zeit schon das Internet gegeben hätte? Welchen Einfluss hätte das auf Ihre Karriere gehabt?

Ich bin richtig dankbar und froh, dass ich in meine Zeit damals hineingebo­ren worden bin. Ich hätte mich wohl mit den ganzen sozialen Netzwerken viel weniger auf das Skifahren konzentrie­ren können. Das wäre eine große Belastung für meine Karriere gewesen.

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BILD: SN/PICTUREDES­K.COM - JOHANN GRODER

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