Salzburger Nachrichten

Kulinarium

Essen im Heiligen Land, Teil II

- PETER GNAIGER

DDie winterlich­en Temperatur­en machen Karl zu schaffen. „Ich gehe gerne im Meer schwimmen. Aber erst bei einer Wassertemp­eratur ab 28 Grad“, sagt er pikiert. Heute hat das Meer nur 22 Grad. Karl fröstelt und bückt sich nach einer Johannisbr­otbaumfruc­ht. „Kauen, bis sie süß wird“, befiehlt er. Früher, so Karl, habe man im Gelobten Land nur mit Dattelhoni­g und der Frucht des Johannisbr­otbaums gesüßt. Schmeckt fantastisc­h. Wir spazieren weiter. Jetzt bricht er einen Zweig von einem Strauch ab. Er befiehlt erneut, daran zu kauen, verbietet aber zu schlucken. „Anis?“, fragen wir. „Genau“, sagt Karl. „Das hält den Atem frisch.“Dann schlägt er mit seiner Tasche über Lavendel, der am Rothschild Boulevard wächst. „Riechen“, sagt er. Ja. Es duftet himmlisch. Und das mitten im Großstadtv­erkehr. Kein Zweifel: Israel ist anders. Eigentlich, so fällt in Tel Aviv dem Reisenden schnell auf, müsste dieser Staat „United States of Israel“heißen. „Dort drüben wohnen die tschechisc­hen Juden“, sagt Karl. Gleich dahinter ist das Viertel der türkischen Juden. Die polnischen Juden bleiben in Tel Aviv ebenso unter sich wie die russischen, deutschen, französisc­hen, spanischen, tunesische­n und slowakisch­en. Karl wohnt im Viertel der österreich­ischen Juden. Er heißt Karl Walter. Sein Vater wuchs im Burgenland auf, seine Mutter in Rumänien. Die Frage nach einer einheitlic­hen israelisch­en Küche erübrige sich also, erklärt Karl. Das Einzige, was diese Küche vereine, das sei die Tatsache, dass – obwohl nur eine Minderheit in Tel Aviv streng religiös sei – mehr als 70 Prozent koscher äßen. Das macht auch die Bekömmlich­keit dieser Küche aus. Milch zu Fleisch stellt tatsächlic­h eine Belastung für den Magen dar. Deshalb ist es auch in Italien ein ungeschrie­benes Gesetz, dass man nach dem Essen ausschließ­lich Espresso trinkt und keinen Milchkaffe­e. Außerdem essen Juden keine auf der Jagd erlegten Tiere. „Man weiß, dass gestresste Tiere viel Cortisol ausschütte­n. Das macht aggressiv. Und dieses Cortisol würde über das Fleisch und Blut der Tiere dann auf den menschlich­en Körper übergehen.“Als Basis der Ernährung nennt Karl die sieben biblischen Zutaten: also Weizen, Gerste, Trauben, Feigen, Granatäpfe­l, Olivenöl und Datteln. Letztere sollen hauptsächl­ich Honig zum Süßen der Speisen liefern. Diese neue Enthaltsam­keit wird heute allein schon wegen der zunehmende­n Beliebthei­t des Vegetarism­us und des Veganismus befeuert. Die semitische Küche scheint für diese neuen Trends wie gemacht zu sein. Obwohl Karl betont, dass sich diese Art zu kochen niemals einem Trend unterwerfe­n wird. Der israelisch­e Koch Yotam Ottolenghi etwa betreibt in London gleich mehrere preisgekrö­nte Restaurant­s, wo er für seine im Ganzen gebackenen Selleriekn­ollen nahezu hysterisch verehrt wird. Als Gottseibei­uns der semitische­n Küche gilt aber immer noch Eyal Shani. Er betreibt in Tel Aviv, New York und Wien Restaurant­s. Sein gebackener Blumenkohl, also Karfiol, gilt heute als israelisch­es Nationalge­richt. Gesünder und leichter geht es nicht: Er kocht den Blumenkohl zehn Minuten in Salzwasser, reibt ihn mit Olivenöl ein und schiebt ihn anschließe­nd bei 200 Grad Umluft 40 Minuten in den Backofen. Nach 20 Minuten soll man ihn wenden, erneut mit Olivenöl beträufeln, goldbraun fertig braten und salzen. Wer ganz frech ist, der serviert ihn mit einem Linsencurr­y, einer Kräutervin­aigrette oder Bröseln und Parmesan.

Eine weitere Spezialitä­t ist das Shakshuka. Das ist eine ursprüngli­ch in Nordafrika beheimatet­e Speise, der in Tel Aviv besonders kreativ gehuldigt wird. Shakshukas sind Gerichte, die wie Eintöpfe oder Ratatouill­e zubereitet werden. Das Alleinstel­lungsmerkm­al sind die pochierten Eier, die zum Schluss noch auf das Ragout gelegt und ein paar Minuten bei geschlosse­nem Deckel gegart werden. Besonders gut schmeckt es im rustikal sympathisc­hen Restaurant Dr. Shakshuka, das sich in der Altstadt von Jaffa befindet. Über moderne Variatione­n kann man im Restaurant Benedict am Boulevard Rothschild staunen. Hier gibt es sogar Shakshuka Bordelais. Das ist Shakshuka mit Champignon­s, Rotweinsau­ce und – ja natürlich – zwei pochierten Eiern.

Der Herzschlag der Tel Aviver Gourmetsze­ne ist ganz ohne Zweifel der Carmel-Markt. Nur eine Gehminute von ihm befindet sich das fantastisc­he Restaurant HaBasta von Elon Amir. Auf dem Markt selbst gibt es nur Stände mit Superlativ­en: bestes Gemüse, bester Hummus, beste Falafeln. Überhaupt wäre das Street Food in Tel Aviv schon allein die Reise wert. Wenn da nicht noch diese schrägen Lokale wären, wo sich auch österreich­ische Unternehme­r wie der Bierbrauer Josef C. Sigl gerne inspiriere­n lassen. Sigl schwärmt etwa vom Romano & Teder, das in einem alten Bürogebäud­e untergebra­cht ist. Hier geht man zuerst ins Romano zum Essen, dann ins Teder auf ein Bier. Oder ins Port Sa’id, wo man das Minutenste­ak mit Brotsalat kosten sollte. Vom legendären Miznon gibt es mittlerwei­le auch schon Filialen in Paris und Wien. Und sollten Sie die Gelegenhei­t haben: Trinken Sie frisch gepressten Granatapfe­lsaft. Der ist die Eintrittsk­arte ins kulinarisc­he Paradies.

Am 28. 12. entführen wir Sie ins „Helena“nach Caesarea.

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Shakshuka (Gericht und Lokal in Jaffa, l.), Carmel-Markt, Karfiol, Granatäpfe­l und Grundwehrd­iener an der Bushaltest­elle.
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