Getrübte Weihnachtsfreude
Prinz Andrews fatales Interview, der Zank zwischen Kate und Meghan, Elisabeths kranker Gemahl, der Brexit und die untreuen Schotten – die Windsors stehen vor einem sorgenvollen Fest.
LONDON. Konzentriert und ohne zu patzen mischt der sechsjährige Prinz George den traditionellen Christmas Pudding, der auf keiner weihnachtlichen Festtafel des Königreichs fehlen darf. Stolz lächelnd beobachten seine Urgroßmutter Elisabeth II. (93), Großvater Prinz Charles (71) und Vater Prinz William (37), wie der „kleine Engel“– so die britische Boulevardpresse – den Holzlöffel schwingt.
Das „rührende“Bild des kleinen Prinzen täuscht darüber hinweg, dass es das sorgenvollste Weihnachtsfest seit Langem für die königliche Familie ist. Prinz Philip wurde im Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen, ein Palastsprecher gab bekannt, dass dies kein Ernstfall sei, sondern nur eine routinehafte Untersuchung auf Anraten des Hausarztes. Es wird vermutet, dass der 98-jährige Patriarch der Windsors wieder mit einer Blasenentzündung zu kämpfen hat. Ob er für das Familienfest in Sandringham aus dem Krankenhaus zurückkehren kann, ist fraglich.
Das hat die Weihnachtsroutine der Queen ins Schleudern gebracht. Die traditionelle Inspektion der
Landgüter fiel dieses Jahr ebenso aus wie die vorweihnachtliche Fasanenjagd, die Prinz Philip nur noch vom geheizten Geländefahrzeug aus beobachten kann.
Thronfolger Prinz Charles ist auf einer Dienstreise in die überfluteten Landstriche des Königreichs und wird erst kurz vor der Bescherung zurück sein. Die findet im Gegensatz zum englischen Brauch bereits am Heiligen Abend statt, weil die königliche Familie die deutsche
Tradition weiter pflegt, die Prinz Albert bei seiner Heirat mit Königin Victoria ebenso wie den Weihnachtsbaum eingeführt hat.
Prinz Harry verbringt Weihnachten mit seiner Frau Meghan und seinem kleinen Sohn Archie in Kanada. So kann es während des Fests nicht zu Spannungen mit seinem Bruder Prinz William und dessen Frau Kate kommen, über die die königlichen Klatschreporter letztes Jahr ständig eiferten. Harry und
Meghan hatten sogar gerichtliche Klage gegen „böswillige und falsche“Behauptungen eingeleitet.
Um des lieben Weihnachtsfriedens willen, wird Prinz Andrew für das Familienfest aus der Versenkung auftauchen, in die er aufgrund seiner Freundschaft mit dem wegen Pädophilie und sexueller Ausbeutung von minderjährigen Frauen verurteilten amerikanischen Multimillionär Jeffrey Epstein geriet. Ein Fernsehinterview, in dem Andrew „keinerlei Erinnerung hatte“, dass er mehrmals mit einer 17-jährigen Amerikanerin ins Bett stieg, ging gründlich schief. Seine Mutter war „nicht amüsiert“.
Statt letzte Hand an das Schmücken des Weihnachtsbaums zu legen, musste die Queen noch ins Parlament eilen, um die von Premier Johnson verfasste Regierungserklärung zu verlesen, die mit dem Brexit den wohl größten Umbruch seit ihrer Thronbesteigung markiert. Am gleichen Tag kündigte die Regionalregierung in Edinburgh an, dass Schottland nun die Unabhängigkeit anstreben werde. Die drohende Auflösung ihres Königreichs hat die Weihnachtsfreude der Queen, die sich so gern in Schottland aufhält, gewiss nicht erhöht.