„Eine unerhörte Schwelgerei“
Sigmund Freud hat in Italien das „Behagen an der Faulheit“genossen.
Wie den heutigen Lesern von „Im Land der Träume“ist es auch dessen Protagonisten, Sigmund Freud, ergangen: Manchmal habe schon die Lektüre passender Bücher den Erfinder der Psychoanalyse „in das ersehnte Italien“versetzt, berichtet der Journalist Jörg-Dieter Kogel, der in Hunderten Briefen, Postkarten und Telegrammen einen überraschenden Charakterzug Freuds aufgespürt hat. Und er hat seiner akribischen Analyse dieser Korrespondenz mehr entlockt, als was er im Vorwort ankündigt: „das Vergnügen nachzuvollziehen, mit dem Freud zwischen Venedig und Palermo, Neapel und immer wieder Rom unterwegs war“.
Sigmund Freud habe eine an Reisebüchern so reich bestückte Bibliothek gehabt, dass „wohl niemand gründlicher vorbereitet nach Italien aufgebrochen“sei, stellt Kogel fest. Zudem hatte Freud vom Griechisch- und Latein-Unterricht des Gymnasiums exzellentes Sprach- und Geschichtswissen bewahrt. Der fleißige Mediziner, dessen Arbeitstage
in Wien dem Buch zufolge oft sechzehn bis achtzehn Stunden gefüllt mit Therapien und Wissenschaft waren, fand in Italien eine Gegenwelt: Dort zelebrierte er lukullische Genüsse, ergötzte sich an Landschaft wie Kunst, berichtete von „überschwänglichem Glücksgefühl“, „unerhörter Schwelgerei“oder „Wohlbefinden ungestört“und gestand sogar das angenehme Gefühl, „wie mich das Behagen an Faulheit umschließt“.
Auch im wissenschaftlichen Werk haben sich Erkenntnisse der von 1895 bis 1923 unternommenen zwanzig Reisen in sein Arkadien niedergeschlagen – angefangen von der Studie „Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci“, in der Freud versuchte, das künstlerische Genie mittels Psychoanalyse zu entschlüsseln: Demnach sei künstlerische Arbeit „Ersatz für sexuelle Praxis“oder psychoanalytisch gesagt: „Sublimierung von Libido“.
Anhand seiner Eindrücke von Pompeji schilderte Sigmund Freud, den die Archäologie begeisterte und der dem Sammeln antiker Kunst frönte, die Methode der Psychoanalyse: So wie Trümmer und Säulenreste zum Archäologen von einer untergegangenen Kultur sprächen, so „geht der Analytiker vor, wenn er seine Schlüsse aus Erinnerungsbrocken, Assoziationen und aktiven Äußerungen des Analysierten zieht“. Auch in die „Traumdeutung“sind Orte seiner Reisen nach Venedig und an die Adria eingegangen.
Im Buch „Im Land der Träume“enthüllt Jörg-Dieter Kogel eine unerwartete Seite dieses brillanten Wissenschafters: die des anspruchsvollen Schwelgers, der bekennt: „Geld ist Lachgas für mich.“
Zudem erstaunt, wie leicht und spontan das Reisen damals möglich gewesen ist – dank Nachtzügen und „Baedeker“. Der war für Sigmund Freud unverzichtbar für Besichtigungen und Quartiere, sodass er 1896 in Florenz in derselben vom „Baedeker“als „recht gut“empfohlenen Pension nächtigte wie 1874 das Ehepaar Fontane.
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