Salzburger Nachrichten

Warum der Boeing-Chef gehen musste

US-Flugzeugba­uer wischte Warnungen über schwere Sicherheit­smängel bei der Boeing 737 Max vom Tisch, wie neue Dokumente zeigen.

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Neue brisante E-Mails bringen den US-Flugzeugba­uer Boeing unter schweren Beschuss. Zuvor hatte der Hersteller des Unglücksfl­ugzeugs Boeing 737 Max interne Nachrichte­n aus der Kommunikat­ion mit der US-Luftfahrta­ufsicht FAA vorgelegt, die „ein sehr verstörend­es Bild“zeichneten, erklärte ein Untersuchu­ngsausschu­ss des US-Kongresses.

Die Aufzeichnu­ngen zeigten, wie Boeing-Mitarbeite­r schwere Sicherheit­sbedenken im Zusammenha­ng mit dem Flugzeug äußerten, während andere auf eine Einhaltung der Produktion­spläne pochten. Ein Boeing-Sprecher unterstric­h, „Ton und Inhalt“mancher Nachrichte­n zeigten nicht „das Unternehme­n, das wir sind und sein müssen“.

Am vergangene­n Montag trat Boeing-Vorstandsc­hef Dennis Muilenburg von all seinen Ämtern zurück – „mit sofortiger Wirkung“, wie das Unternehme­n am Tag vor Weihnachte­n erklärte. Der 55-Jährige war wegen seines Krisenmana­gements nach den zwei verheerend­en

Abstürzen von Boeings Bestseller 737 Max heftig in der Kritik gestanden, hatte einen Rücktritt aber stets abgelehnt. Zuletzt wurde der Druck immer größer – die US-Luftfahrta­ufsicht FAA wies Muilenburg sogar öffentlich zurecht, die 737-Produktion musste gestoppt werden.

Die Mitteilung von Muilenburg­s Rücktritt liest sich wie eine Abrechnung mit dem früheren Erfolgsman­ager. Ein Führungswe­chsel sei notwendig, um „Vertrauen in das Unternehme­n

wiederherz­ustellen“, heißt es darin. Es gehe darum, die Beziehunge­n zu Regulierer­n und Geschäftsp­artnern zu reparieren. Unter neuer Führung verpflicht­e sich Boeing zu „voller Transparen­z“samt „effektiver und proaktiver

Kommunikat­ion mit der FAA“und Kunden – eine schallende Ohrfeige für Muilenburg. Sein Nachfolger wird der bisherige Verwaltung­sratschef David Calhoun. Bis er mit 13. Jänner übernimmt, sitzt Finanzchef Greg Smith am Steuerknüp­pel.

Muilenburg ist in wenigen Monaten vom gefeierten Überfliege­r zum Bruchpilot­en abgestürzt. Nach der Übernahme des Boeing-Spitzenpos­tens Mitte 2015 führte er den Konzern zunächst in neue Höhen. 2018 übertraf das einst von deutschen Auswandere­rn gegründete Unternehme­n beim Umsatz die Marke von 100 Milliarden Dollar (90,2 Mrd. Euro). Der Aktienkurs verdreifac­hte sich. Doch mit den 737-Max-Abstürzen im Oktober 2018 und März 2019, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen, endete Muilenburg­s Erfolgsges­chichte abrupt. Mit der Rolle des Krisenmana­gers tat er sich sichtlich schwer. „Wir wissen, dass wir Fehler und einige Dinge falsch gemacht haben“, räumte er im Oktober zerknirsch­t vor dem US-Kongress ein.

Der Druck wurde schrittwei­se größer. Seit März ist der Flugzeugty­p weltweit mit Startverbo­ten belegt, eine rasche Wiederzula­ssung ist nicht in Sicht. Trotz heftiger Kritik an Muilenburg­s Umgang mit den Unglücken hielt Boeing lang an ihm fest. Lediglich der Vorsitz im Verwaltung­srat wurde ihm im Oktober aberkannt. Muilenburg­s Abgang endgültig besiegelt zu haben scheint der noch im November – offenbar ohne Rücksprach­e mit der FAA – verbreitet­e Optimismus, die Behörde könnte noch heuer wieder Starterlau­bnis für die Boeing 737 Max geben. Ob Fehleinsch­ätzung oder bewusste Täuschung von Investoren, beides gereichte dem früheren Starmanage­r zum Nachteil. In der Folge sah sich der Konzern gezwungen, die zuletzt nur leicht reduzierte Fertigung des Unglücksfl­iegers vorerst komplett einzustell­en.

Mit seinem Abgang erwies Muilenburg Boeing zuletzt immerhin noch einen Dienst: Die Nachricht vom Wechsel an der Spitze des Flugzeugba­uers ließ die Boeing-Aktien an der Börse kräftig steigen.

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BILD: SN/AP Der Ausstieg aus dem Cockpit wurde Boeing-Chef Dennis Muilenburg nahegelegt.
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BILD: SN/APA/AFP/MANDEL NGAN Boeing-Chef Dennis Muilenburg.

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